Alpengrollen: Kriminalroman
gemeinsam den sonnigen Nachmittag vor der kleinen Skihütte mit dem großen Biergarten. Einfach so über dies und das plaudernd und lachend. Ganz so, als gäbe es nichts Böses auf der Welt. Keine vermissten Mädchen, keine Entführungen, keine Morde und keine sonstigen Verbrechen.
»Also, bis dann«, verabschiedeten sich die Holländerinnen fröhlich, als er aufstand, um weiterzufahren. Natürlich nicht, ohne Johanna vorher einen Geldschein für die Getränke gegeben zu haben. »Heute Abend um sieben Uhr im ›Lustigen Wirt‹, unten im Ort.«
»Gerne. So machen wir es. Servus, ihr zwei Hübschen.« Max stieg den kleinen Schneehügel zu seinen Skiern hinauf, trat gekonnt in die Bindung und fuhr los. Natürlich besonders schneidig. Er war sich hundertprozentig sicher, dass ihm seine zwei Urlaubsbekanntschaften dabei zusahen. Und denen wollte er natürlich zeigen, was er drauf hatte. Vor allem der blonden Johanna. Die strahlt etwas ganz Liebes aus, freute er sich, und ist dabei auch noch eine echte Granate. Ja, Herrschaftszeiten. Da kann man ja nur gespannt sein, was das noch wird mit diesem Skiurlaub. So ein kleiner Urlaubsflirt, das wäre doch mal was. Vor allem, weil Moni doch sowieso immer nur auf ihre Freiheit besteht. Soll sie doch.
8
Ein merkwürdiges Geräusch in ihrem Kopf ließ sie aufwachen. Ein gleichmäßiges hohes Pfeifen. Dann war es wieder weg. Nichts mehr zu hören. Doch es kam zurück. Diesmal bemerkte sie, dass es nicht in ihrem Kopf war. Zog der Wind durch irgendwelche Ritzen? Oder hantierte jemand mit einem Staubsauger? Eine Waschmaschine im Schleudergang konnte es ebenfalls sein. Sie legte sich fest. Ja, es musste eine Waschmaschine sein. Sie kannte das Geräusch von zu Hause her. Ihre Mutter legte schon immer großen Wert auf Sauberkeit. Und dementsprechend häufig wurde gewaschen. Doch, doch. Das war’s. Auf jeden Fall. Irgendwo lief garantiert eine Waschmaschine im Schleudergang. Vielleicht im Stockwerk über ihr. Oder nebenan. War da etwa ein Waschkeller? Sehen konnte sie immer noch nichts. Sie hatten ihr den Sack über ihrem Kopf nicht abgenommen. Zum hundertsten Mal fragte sie sich, wozu das Ganze gut sein sollte. Was diese Leute nur von ihr wollen könnten.
Gut, ihre Familie hatte viel Geld. Aber da gab es doch genug Kinder anderer Leute, die man entführen konnte. Gerade hier in Kitzbühel, wo immer so viele reiche Leute Urlaub machten. Aber hatte man sie überhaupt entführt, damit ihre Familie für sie bezahlte? Eigentlich wusste sie ja nicht im Geringsten, warum sie festgehalten wurde. Und das machte ihr Angst. Noch mehr Angst, als sie ohnehin schon hatte. Niemand sprach mit ihr. Immer nur dieses Geschimpfe in dieser komischen Sprache, von der sie nicht ein Wort verstand. Und dann schlugen sie noch jedes Mal zu, wenn sie zu ihr hereinkamen. Warum denn nur? Wenn sie nicht aufpasste, würde sie bald noch verrückt werden. Und dann gaben sie ihr auch noch diese fiesen Spritzen. Und der Brei, den sie ab und zu essen musste, war ungenießbar. Umbringen wollte sie wohl niemand. Sonst wäre sie sicherlich längst tot. Aber was wollten die dann von ihr? Eigentlich kam nur Erpressung infrage. Oder wollte man sie nach Arabien verkaufen? In einen Harem? Sie hatte so was schon mal gelesen. Und einen Bericht im Fernsehen hatte sie darüber gesehen. Die würden für ihre Harems auf der ganzen Welt nach hübschen Mädchen suchen, hatte es da geheißen. Und besonders nach blauäugigen Blondinen. Aber warum ließen die sie dann hier in der Kälte liegen, bis sie krank und hässlich war. Hübsche Mädchen sollten doch hübsch bleiben. Oder hatten sie etwas ganz anderes mit ihr vor? Lasst mich doch bitte einfach wieder gehen. Sie stöhnte laut, als sie sich auf die andere Seite legen wollte. Die Fesseln hatten inzwischen ihre Hand- und Fußgelenke aufgerieben. Die geringste Bewegung jagte ihr die gemeinsten Schmerzen quer durch den Körper. Am besten würde sie einfach nur still daliegen. Und warten. Darauf, was sie mit ihr vorhatten. Ändern konnte sie sowieso nichts. Höchstens beten, dass das alles bald wieder vorbei wäre. Weiter durfte sie gar nicht denken. Sonst würde sie durchdrehen. Und das wäre sinnlos. Lieber auf die Geräusche rund herum achten. Wer weiß, was noch alles passierte.
9
»Grüß Gott. Raintaler mein Name. Max Raintaler aus München. Ich hatte für diese Woche ein Zimmer reserviert.« Max stand mit der nassen Knickerbocker an den Beinen und seinem alten
Weitere Kostenlose Bücher