Alpengrollen: Kriminalroman
ein. Ohne besonderen Grund. Es war vor gut 20 Jahren gewesen. Auf der Nikolausfeier seines alten Schulspezis, späteren Kollegen und bis heute besten Freundes Franz Wurmdobler. Der Franzi, wie ihn alle immer nannten, hatte einen riesigen Topf Glühwein aufgesetzt und haufenweise Freunde und Bekannte in das sturmfreie Haus seiner Eltern in Trudering eingeladen. Eine wilde Party mit kleinem Hallenbad, Sauna und allem Pipapo nahm ihren Lauf. Monika war Max gleich aufgefallen, als sie hereinkam. Jeans, Parker, bunter Pulli, eine tolle Figur natürlich und zwischen ihren langen, schwarzen Locken leuchteten ihre strahlend blauen, lebendigen Augen wie das Mittelmeer im Sonnenschein. Es hatte von Anfang an zwischen ihnen gefunkt. Und als sie Punkt Mitternacht nackt mit den anderen in den Pool sprangen, hatten sie sich das erste Mal geküsst. Sehr intensiv, sehr verliebt und sehr lang.
»Was darf ich den Herrschaften zu essen bringen?« Die aufmerksame Serviererin im bodenlangen dunkelgrünen Dirndl riss ihn aus seinen Gedanken. Sie stand mit gezücktem Notizblock vor ihnen, bereit, die Essensbestellungen aufzunehmen.
»Ich bekomme einen Schweinebraten«, kommandierte Ruth als Erste. »Aber ohne Kraut. Dafür einen großen Salat. Ohne Tomaten. Und auch keine Zwiebeln. Und zwei Stück Fleisch. Nicht nur eins. Und viel knusprige Kruste. Und zwei große Semmelknödel. Keinen Kartoffelknödel. Und ganz viel Soße. Und möglichst schnell. Ich verhungere. Das wär’s.«
Wenn es ums Essen ging, war sie anscheinend recht wählerisch. Und das kleine Zauberwörtchen bitte schien sie auch nicht zu kennen. Für Max waren solche Gäste früher immer der Horror gewesen. Damals, als er noch bei seinen Eltern gearbeitet hatte. Erstens hatte er sich all die Änderungen immer merken müssen. Dann musste er sie dem Koch lang und breit erklären. Und am Ende waren die ganzen Beilagenänderungen noch bei der Rechnung zu berücksichtigen.
»Kein Problem, machen wir gerne«, antwortete die junge Tirolerin mit einem warmherzigen Lächeln im Gesicht.
Der Service hier drinnen scheint ja richtig gut zu sein, dachte er.
»Und ich möchte bitte die Rinderroulade.« Johanna deutete auf die Karte. »So, wie sie hier steht. Mit allem. Und noch ein Bier, bitte.«
Max lächelte ihr zu. Das ist mein Mädchen. Kein langes Herumeiern beim Essen, freundlich zum Personal, und das Bier schmeckt ihr ebenfalls. Perfekt. Sie lächelte breit und strahlend zurück und ahnte dabei gar nicht, wie überzeugend sie gerade bei dem bayerischen Ski-Ass gepunktet hatte.
»Für mich bitte den Grillteller«, sagte er. »Und auch noch ein Bier.«
Die Serviererin sammelte rasch die in dunkelbraunes Leder gebundenen Speisekarten ein und bedankte sich bei allen. »Das Bier kommt sofort«, versprach sie dann noch. »Mit dem Essen dauert es ein bisserl. Aber nicht sehr lange.«
»Wunderbar!«
»Hast du das Mädchen gefunden, das du suchst?«, erkundigte sich Johanna, als sie wieder zu dritt waren.
»Woher weißt du …?«
»Ruth hat mir davon erzählt.«
»Ach. Ihr habt euch also über mich unterhalten?«
»Natürlich , Max. Was denkst du denn? Wir sind zwei Frauen im besten heiratsfähigen Alter«, mischte sich Ruth lachend ein.
Die anderen beiden lachten mit. Johanna wurde dabei ein bisschen rot.
»Nein. Leider habe ich sie noch nicht gefunden. Aber ich bin an der Sache dran. Weit kann sie ja nicht sein.« Hoffe ich zumindest, dachte er. Er fühlte sich jetzt immer wohler zwischen seinen zwei Damen vom Deich. Besonders Johanna begann ihm von Minute zu Minute besser zu gefallen. Sie strahlte eine menschliche Wärme aus, wie man sie sehr selten findet. Und ihre Figur und das hübsche Gesicht waren sowieso nicht von dieser Welt. Jedes etablierte Modemagazin hätte seine Auflage mit ihrem Konterfei als Titelbild hundertprozentig noch um ein Vielfaches erhöht. Jetzt fehlt mir eigentlich nur noch mein Grillteller zum absolut perfekten Glück, überlegte er, nachdem sie sich gut eine Stunde lang über dies und das unterhalten hatten.
»Der Wahnsinn! Der blanke Wahnsinn. Sie haben die Streif in die Luft gesprengt! Die Rennpiste ist zerstört!« Ein offensichtlich gut angetrunkener, dicker Österreicher im roten Anorak stand auf einmal mitten im Lokal unter dem Kronleuchter und brüllte lauthals herum. Er riss sich die bunte Zipfelmütze vom Kopf und drehte sich wie ein Derwisch im Kreis, während er seine Schreckensnachricht verkündete. »Die Terroristen haben die
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