Alpengrollen: Kriminalroman
kleinen Schlagzeile darüber hängen.
›Tote Frau am Fuße der Streif aufgefunden!‹
Er sah sich die Aufnahme genauer an und war sich fast sicher, dass er sie schon einmal gesehen hatte. Er konnte sich im Moment nur nicht genau daran erinnern, wo das gewesen sein könnte. Kein Wunder, bei dem dicken Kopf, den er aufhatte.
Sie waren gestern noch bei Markus gewesen. Hatten dort etliche Honoratioren der Stadt mitsamt ihren pelzgeschmückten Gattinnen oder Freundinnen kennengelernt und natürlich mit ihnen getrunken. Dann hatte ein süddeutscher Wurstfabrikant mit sehr viel Geld alle noch auf eine Party in einem angesagten Kitzbüheler Club eingeladen. Eintritt, Getränke und Essen gingen auf seine Kappe, hatte er gemeint. Ruth war ganz wild darauf gewesen, mit dem Wurstmenschen und seinem bunten Schnorreranhang mitzugehen, und hatte Max und Johanna regelrecht genötigt, auch dabei zu sein. Okay, hatte er sich gedacht, wenn ich sowieso schon unterwegs bin, kann ich auch noch eine Weile weiterfeiern. Vielleicht hört dann wenigstens die ununterbrochene Knutscherei auf. Johanna hing inzwischen nur noch wie eine Klette an ihm. Sie hatte ihn mit niemand anderem mehr reden lassen, mit Frauen schon gar nicht. Als er dann in dem schick mit dunklem Holz eingerichteten, gut besuchten Nachtlokal auf die Toilette gehen musste, hatte er seine Chance genutzt und war erst eine halbe Stunde später wieder an seinen Platz zurückgekehrt. Johanna hatte alleine dagesessen und finster vor sich hingestiert. Hatte ihn gefragt, ob er etwas gegen sie habe. Wenn ja, dann könne er das gleich zugeben. Schließlich müsse er nicht neben ihr sitzen und sich mit ihr unterhalten. Und ein Liebespaar müssten sie auch nicht werden. Und wenn ihn ihre Zärtlichkeiten stören würden, könne sie sich ebenso gut jemand anderen suchen, mit dem sie ihren letzten Urlaubsabend verbringen würde, bevor es morgen wieder nach Hause ginge.
Gleich nach dem letzten Satz waren ihr die Tränen in die Augen geschossen und sie hatte sich sofort bei ihm entschuldigt. Es stehe ihr nicht zu, ihn für sich alleine haben zu wollen. Aber sie sei halt nun mal so schrecklich verliebt in ihn und morgen müsse sie zurück. Und deswegen sei sie so traurig. Max hatte sie tröstend in den Arm genommen. Und von da an war sie für den Rest des Abends weiterhin wie ein beschwipster Wintermantel an ihm drangehangen.
»Herrschaftszeiten, das bist doch du? Ich kenne dich doch«, stieß er jetzt im halbvollen Frühstücksraum aus.
Er hatte immer noch das Bild der Toten vor sich. Sie wäre mit mehreren Schüssen in den Kopf umgebracht worden, hieß es ein paar Zeilen weiter unten.
»Du bist doch die junge Lady, die mit den zwei Gangstertypen in die schwarze Limousine gestiegen ist. Oder? Zumindest könntest du es sein. Wusste ich es doch, dass mit denen etwas nicht stimmt«, murmelte er leiser vor sich hin. »Aber vielleicht täusche ich mich auch und du warst es gar nicht. Woher soll man das so genau wissen? Es war ja jedes Mal dunkel, wenn ich euch sah.«
Er blätterte weiter. Aber interessiert hätte ihn die Sache mit der toten Unbekannten schon. Wenn der Raintaler die Fährte aufgenommen hat, ist er nicht mehr zu stoppen, hatten seine Kollegen früher immer gesagt. Ach was. Schluss mit dem Unsinn. Du bist zum Skifahren hier. Und genau das wird heute getan. Sonst nichts. Verdächtige Russen hin, verdächtige Russen her.
23
Franz trat bestimmt zum hundertsten Mal gegen die Holzwand zu seinen Füßen und rief, so laut es sein Knebel zuließ, um Hilfe. Er wusste nicht, wie lange er schon eingeklemmt dalag. Es war dunkel um ihn herum. Lediglich durch einen schmalen Spalt links von ihm kam von Anfang an etwas Licht in sein enges Verlies. Als er aufgewacht war, hatte er sich kurz umgesehen und gleich gewusst, dass ihn dieser Mistkerl von Glanzeder in einen Schrank gesperrt haben musste, nachdem er ihn ausgeknockt hatte. Und ganz offensichtlich in einen äußerst stabilen Schrank. Seit Stunden versuchte er, die Seitenwand mit den Füßen wegzutreten. Keine Chance.
Glanzeder selbst schien nicht mehr in der Wohnung zu sein. Die ganze Zeit über war nicht das geringste Geräusch zu vernehmen. Keine Schritte, kein Schnarchen, kein Atmen. Nichts. Langsam war er mehr als angefressen von der unerfreulichen Situation. Sein Getrampel und Geschrei schienen nicht viel zu nützen. Alles tat ihm weh. Und seine auf den Rücken gefesselten Arme spürte er schon lange nicht mehr. Zigmal hatte
Weitere Kostenlose Bücher