Alpengrollen: Kriminalroman
Polizist. Eher wie der gute Freund, der er genaugenommen ja auch seit vielen Jahren war.
»Das geht ganz bestimmt, Franzi. Ich schicke sie dir vorbei.«
»Bestens. Dann kriegen wir den feinen Herren bestimmt bald zu fassen. Seine Schwester haben wir gestern schon mitgenommen. Die war mit irgendeinem Zeug total voll gewesen. Was diese Kinder sich da nur antun. Wenn die wüssten, wie schädlich der ganze Mist für ihren Körper und ihr Gehirn ist. Oder wissen sie’s?«
»Nicht wirklich, glaube ich.« Sie nahm den schwarzen Kuli von seinem Stammplatz auf ihrem gläsernen Couchtisch und malte kleine Vierecke auf den Rand des Kreuzworträtselheftes, das gleich daneben lag.
»Na ja. Jedenfalls war sie nach einer Nacht in der Ausnüchterungszelle heute Morgen wieder einigermaßen ansprechbar. Wenn auch reichlich schlecht gelaunt. Als wir sie dann befragten, hat sie ihr Bruderherz natürlich nicht verraten. Und wir mussten sie wieder freilassen. Ja, und jetzt wollten wir halt auch Sabine mal fragen, ob sie was über den Kerl weiß.« Franz holte erst mal tief Luft nach seinem langen Vortrag.
»Geht klar, Franzi. Ich sage es ihr gleich. Servus.«
»Danke dir, Annie. Auch Servus.«
Sie legte ihr Telefon in die Ablage zurück und stieg in den ersten Stock zum Zimmer ihrer Tochter hinauf, um sie zu wecken. Als sie die Tür öffnete, durchfuhr sie gleich wieder ein Schreck. Nur ein paar lange, blonde Haare spitzten aus den bunten Kissen. Sabines Gesicht war nicht zu sehen. Sie lag da wie eine Tote. Anneliese trat eilig an ihr Bett und beugte sich über die Stelle, wo sie ihren Kopf vermutete. Gott sei Dank, sie atmet. Und sie ist sogar wach. Oder?
»Bitte lass mich ausschlafen, Mama. Ich bin so müde«, murmelte sie kaum hörbar.
Also doch. Sie ist wach. »Wird leider nichts mit dem Ausschlafen. Du bist vorgeladen, bei der Polizei.«
»Aber du hast doch gesagt …«
»Keine Angst. Die wissen weder was von dem Geld noch von deinem Drogenkonsum. Sie wollen dich nur fragen, wo dieser Fridolin stecken könnte.«
»Ja, aber das weiß ich doch gar nicht. Der hat uns doch nie gesagt, wo er hingeht.« Sabine versteckte sich unter der Bettdecke.
»Na, dann sagst du ihnen das genau so. Und danach kommst du bitte gleich wieder heim. Wir zwei haben nämlich auch noch ein Hühnchen miteinander zu rupfen.« Anneliese zog die Decke wieder herunter und bekam den zweiten Schreck an diesem Morgen, als ihre Tochter sich daraufhin langsam zu ihr umdrehte. Sie sah schrecklich aus. Rote Augen, verquollen und aufgedunsen. Sie würde bestimmt noch ein paar Tage brauchen, bis sie sich wieder einigermaßen erholt hatte.
»Alles klar. Ich war so blöd, Mama. Mich einfach nicht mehr zu melden! Ich weiß gar nicht, wie ich auf den Scheiß gekommen bin. Und dann noch das mit dem Geld. Du musst ja gedacht haben, ich wäre verrückt geworden. Fuck! Ich muss dir ja total Angst gemacht haben.« Ein paar kleine Tränen der Reue kullerten ihr über die ungesund geröteten Backen.
»Alles halb so wild. Da reden wir nachher noch darüber. Versprochen. Hauptsache, du bist wieder da.« Auch Anneliese liefen die Tränen über das Gesicht. Aus reiner Erleichterung. »Zieh dich erst mal an und schau, dass du denen bei der Polizei keinen Schmarrn erzählst. Und komm danach bitte gleich wieder heim. Ich hab einfach noch Angst um dich. Okay?« Sie strich Sabine über den Kopf und war sich sicher, dass alles schon wieder in Ordnung kommen würde. Vielleicht nicht sofort, aber mit der Zeit bestimmt. Und sie würde ihr Scherflein gewiss dazu beitragen. Als erste Maßnahme hatte sie sich auf jeden Fall schon einmal vorgenommen, nicht mehr so streng zu ihrer Tochter zu sein.
»Okay, Mama. Danke.« Sabine wühlte sich ächzend und stöhnend aus ihrem Bett und tapste ins Bad, um sich zu duschen und anzuziehen. Sie hatte ein schlechtes Gewissen. Und sie befürchtete, dass die Sache noch ein Nachspiel haben würde. Sie konnte ja nicht wissen, dass ihre strenge Mutter durch die ganze Aufregung geläutert war. Zumindest für den Moment. Auf der anderen Seite war sie ihr aber jetzt schon grenzenlos dankbar dafür, dass sie sie aus Annas Wohnung rausgeholt hatte. Sie selbst hatte nicht die geringste Ahnung mehr, warum sie da überhaupt geblieben war. Und wieso sie sich tagelang nicht gemeldet hatte, wusste sie genauso wenig. Im Moment kam es ihr so vor, als hätte sie immer noch total dichten, klebrigen Nebel im Gehirn.
Als sie einigermaßen wiederhergestellt und
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