Alpengrollen: Kriminalroman
geschminkt war, fuhr Anneliese sie im Revier vorbei, bat sie beim Aussteigen noch einmal, auf jeden Fall gleich nach dem Verhör heimzukommen, und ging dann in die Bank, um die 100.000 Euro wieder auf ihr Konto einzuzahlen.
Herr Rose, der sie mit ihrem Aktenkoffer hereinkommen sah, nahm sich der Sache umgehend persönlich an. »Ja, liebe Frau Rothmüller. Einen besonders wunderschönen guten Tag wünsche ich. Bitte nehmen Sie doch Platz. Haben Sie es sich anders überlegt?« Er lächelte servil wie immer.
Es gibt Dinge, die haben einfach Bestand, dachte Anneliese. Und dieser Rose und sein Dauergrinsen gehören auf jeden Fall dazu. »Jawohl, Herr Rose. Sie haben mich gestern letztendlich doch davon überzeugt, dass mein Geld bei Ihnen gut aufgehoben ist.« Sie schlug die Beine übereinander und schob ihren Aktenkoffer mit dem Geld über den Tisch.
»Das freut mich natürlich sehr, Frau Rothmüller. Und danke für Ihren gestrigen Hinweis in Sachen Kundenverkehr. Unsere schnippische junge Dame darf vorerst so lange nicht an den Schalter, bis wir überzeugt sind, dass sie weiß, wie man sich zu benehmen hat.« Herr Rose öffnete den Koffer und nahm die gebündelten Geldscheine heraus.
»Das macht Hoffnung, Herr Rose. Sehr erfreulich, das zu hören«, sagte Anneliese.
»Ja, nicht wahr? Wenn Sie sich nur einen kleinen Augenblick gedulden wollen, Frau Rothmüller. Ich lasse das hier nur eben nachzählen. Kein Misstrauen. Reine Routine. Sie verstehen? Darf ich Ihnen so lange einen Kaffee anbieten?«
»Dürfen Sie, Herr Rose. Nur Zucker, bitte. Zwei Löffel. Keine Milch.«
»Sehr gerne, Frau Rothmüller. Ich bin umgehend zurück.«
Na also, geht doch, dachte Anneliese. Und da heißt es immer, diese Banker heutzutage hätten kein Benehmen mehr. Stimmt doch gar nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn der gute Herr Rose nicht aufpasst, rutscht er sogar noch auf seiner eigenen Schleimspur aus.
32
Max und Johanna wurden von den ersten Sonnenstrahlen, die durch das Fenster ins Zimmer hineinlugten, geweckt. Max’ runder Micky-Maus-Wecker, den er extra von zu Hause mitgebracht hatte, stand auf zehn Uhr. Nachdem sie gestern so gut wie nichts getrunken hatten, waren sie gleich hellwach, fröhlich und bester Dinge. Sie scherzten und lachten wie übermütige Kinder. Max kontrollierte nicht einmal seinen Blutdruck, so gut fühlte er sich. Sie duschten und zogen sich an und setzten sich dann unten in Marias gemütlichem Gastraum zum Frühstück. Es schmeckte ihnen so gut wie schon lange nicht mehr. Sie holten sich dreimal Nachschub vom Büffet und Maria musste jedem noch eine zweite Portion Kaffee bringen.
»Was meinst du, Johanna«, fragte Max, während er sie von seinem zweiten Marmeladenbrötchen abbeißen ließ, »sollen wir am Nachmittag nach Innsbruck fahren und bummeln gehen?«
»Das ist sozusagen eine geniale Idee, Herr Raintaler. Da war ich nämlich noch nie.« Sie wischte sich schnell mit dem Handrücken Marias leckere selbstgemachte Himbeermarmelade aus den Mundwinkeln.
»Na super. Dann ist das hiermit beschlossen. Und am Abend bringe ich dich zum Zug.«
»Gerne. Wenn du dir das antun möchtest. Aber bevor wir losfahren, müsste ich noch einmal in mein Hotel zurück. Ruth hat dort ihre neuen Skischuhe im Abstellraum vergessen. Und ich habe versprochen, sie ihr mitzubringen.«
»Ist doch gar kein Problem. Ich fahr dich hin. Dann gehe ich zwei kurze Stunden auf die Piste und wir treffen uns danach zum Mittagessen wieder. Vielleicht im ›Lustigen Wirt‹? Was meinst du?« Max teilte den letzten Rest Kaffee in der weißen Thermoskanne brüderlich unter ihnen auf.
»Er kann das Skifahren einfach nicht lassen, mein bayerischer Supersportler«, scherzte sie. »Na klar. So machen wir es. Dann bleibt mir auch genug Zeit, mich in dieser kleinen, aber feinen Boutique in der Hauptstraße umzugucken. Die hatten da nämlich so einen roten Rock, der mir sehr gut gefallen hat.« Sie machte dieses Gesicht, das fast alle Frauen, die Max kannte, machten, wenn es ums Klamottenkaufen ging. Kompetent, sehnsüchtig und voller Vorfreude zugleich.
»Perfekt. Magst du schnell von oben deine Sachen holen und aufbrechen?«
»Bin schon weg.«
Als sie kurz darauf mit ihrem Handgepäck zurück war, verabschiedete sich Johanna unter herzlichen Umarmungen endgültig von Maria. Die Wirtin, die heute ausnahmsweise einmal kein Dirndl, sondern Blue Jeans und eine weiße Bluse anhatte, bedeutete ihr, kurz zu warten. Sie verschwand eilig in
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