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Alpengrollen: Kriminalroman

Alpengrollen: Kriminalroman

Titel: Alpengrollen: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gerwien
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weiß zwar niemand. Aber wenigstens ist da jemand. Irgendwo.
    Er ging nach St. Johann hinein, drehte eine ausgiebige Runde durch die ganze Stadt und kam erst zurück, als es dunkel wurde. Zum Abendessen kredenzte Maria stolz ein deftiges Hirschgulasch mit Bandnudeln und Rotkohl. Es sah köstlich aus und schmeckte hervorragend. Doch er rührte seinen Teller kaum an. Hatte keinen großen Appetit. Verkroch sich lieber auf sein Zimmer und sah noch eine Zeit lang fern. Und schlief dabei zum ersten Mal in diesem Urlaub vor zwölf Uhr ein.
    »Verstehe einer die Frauen«, murmelte er kurz davor noch leise in sein Kissen hinein.

35
     
    Sie wachte auf. Ihr Kopf tat weh. Was war nur geschehen? Dann erinnerte sie sich. Diese blonde Frau war gekommen, um sie zu befreien. Sie waren zusammen in diesen langen, grell beleuchteten Flur eingebogen. Und dann waren auf einmal diese Männer vor ihnen gestanden. Einer von ihnen hatte sie in den Schwitzkasten genommen. So, dass sie keine Luft mehr bekommen hatte. Dann weiß sie nichts mehr. Wie es aussah, hatten sie sie wieder in ihr Verlies zurückgebracht. Doch was hatten sie der blonden Frau angetan? Hoffentlich nichts Schlimmes.
    Angestrengt versuchte sie, die Fesseln an ihren Handgelenken zu lockern. Keine Chance. Zu fest gebunden. So wie ganz am Anfang. Dann drehte sie sich auf den Rücken. Wollte sich im Raum umsehen. Die Augen hatten sie ihr diesmal nicht verbunden. Und das Licht brannte. Bestimmt hatten sie einfach vergessen, es auszumachen.
    »Mhm!«
    Sie hielt inne. Was war das? Da war doch jemand.
    »Mhm!«
    Sie drehte ihren Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Die blonde Frau. Sie lebt. Gott sei Dank. Die wird mir sicher helfen. Zusammen kommen wir bestimmt hier raus. Sie rutschte in Seitenlage wie eine Schlange zu ihr hinüber. Bis sich ihre Gesichter fast berührten. Wieso reibt sie nur immer wieder ihre Nase über den Klebestreifen auf meinem Mund? Und dann schaut sie auch noch jedes Mal so komisch nach unten.
    »Mhm!«
    Die Frau wiederholte ihr seltsames Manöver. Was ist da unten nur? Soll ich zu ihren Beinen hinunterrutschen? Aber wozu? Ach so. Klar. Genial. Sie will, dass ich meinen Mund zu ihren Fingern bringe. Dann kann sie den Knebel von meinem Mund reißen. Und ich kann ihr die Fesseln mit den Zähnen aufknoten. Richtig?
    »Mhm!«
    Also gut. Dann reibe ich jetzt meine Nase an ihrem Mund. Bin ja mal gespannt, ob wir dasselbe denken.
    »Mhm!«
    Die Frau machte große Augen und nickte. Supergeil, sie hat mich verstanden. Sie schob ihren Körper nach unten. Bis sie vor den gefesselten Händen der Frau lag, die sich inzwischen umgedreht hatte. Sie hielt ihren Mund an deren Finger. Spürte, wie die Frau an ihrem Isolierband zupfte. Den Anfang suchte. Ihn fand und kräftig daran zog.

36
     
    Max hatte schlecht geschlafen. Er war um zwei wieder aufgewacht und hatte sich stundenlang gefragt, warum Johanna ihn wohl so sang- und klanglos verlassen hatte. War seine abwehrende Haltung in der Promi-Bar daran schuld? Oder hatte er etwas von sich gegeben, das sie so sehr verletzte, dass sie es ihm nicht einmal sagen wollte? Oder war ihr doch etwas passiert? Aber da hätten sie auf der Gendarmerie oder im Krankenhaus, wo er gestern Abend noch angerufen hatte, doch Bescheid gewusst. Nein, nein. Bestimmt war sie einfach weggefahren. Wahrscheinlich war sie längst daheim und überlegte, ob sie ihn doch noch anrufen sollte, um ihm alles zu erklären. Oder auch nicht. Wer will das schon wissen? Irgendwann in den frühen Morgenstunden hatte er sich gesagt, dass er auf seine Fragen wohl selbst in hundert Jahren keine Antwort finden würde, und war doch noch eingeschlafen.
    Jetzt saß er frisch rasiert und geduscht bei seinem späten Frühstück vor einem dampfenden Haferl Kaffee und herrlich duftenden, knackig frischen Semmeln. Und versuchte, das Thema Johanna so gut es ging zu verdrängen. Was hätte er denn sonst tun sollen? Sie war weg. Warum auch immer. Aber er war noch da, die Sonne schien durch die Terrassentür herein, Marias Rührei spezial mit frischen Kräutern schmeckte einfach köstlich
und ein weiterer prächtiger Tag in einem der schönsten erschlossenen Skigebiete der Alpen wartete bereits ungeduldig auf ihn und seine neuen Carver.
    Also, was soll’s? Freue dich an dem, was war, und auf das, was kommt. Zum Beispiel auf den Abfahrtslauf morgen. Und vergiss den Rest. Wenn das nur so einfach wäre. Ist es aber nicht. Sie war ja schließlich nicht irgendjemand.

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