Alpengrollen: Kriminalroman
ich?« Markus sah ihn mit einem schiefen Grinsen an.
»Ja, klar«, winkte Max ab. »Die sind jetzt eh wieder daheim.«
»Das denke ich auch. Du, wie schaut es aus? Da sind vier sehr gut situierte ältere Damen im Kurs, die wollen heute Abend unbedingt mit mir zum ›Lustigen Wirt‹ gehen. Hast du Lust mitzukommen? Dann wären wir zumindest schon mal zwei Hähne im Korb. Was meinst du?« Er blinzelte Max verschwörerisch zu.
»Ja, weißt du, Markus …« Max zögerte.
»Geh, bitte, sag nicht nein. Tu mir das nicht an. Ich bin zwar Skilehrer. Aber vier auf einmal sind sogar mir zu viel.« So wie er dreinschaute, glaubte man es ihm sogar.
»In Ordnung, Markus. Ich schau mal, was ich machen kann. Okay?«
»Ja, super! Das klingt doch schon viel besser. Also um 20 Uhr beim ›Lustigen Wirt‹. Bis dann. Servus.« Der sympathische lockenköpfige Tiroler winkte ihm zum Abschied kurz zu, drehte sich um und lief zu seinem Tisch hinüber, wo seine Rückkehr mit lautem Hallo gefeiert wurde.
Max aß erst einmal seine Suppe und die Brezel. Dann lehnte er sich bequem gegen den nächsten Biertisch, ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen und trank ab und zu einen Schluck Bier dazu. Endlich einmal kein Stress. So soll ein Urlaub sein. Und über die Sache mit Johanna komme ich schon wieder hinweg. Wäre ja nicht der erste Urlaubsflirt, der sich im Nachhinein als Niete erweist. Warum fahre ich denn nachher nicht einfach in meine kleine Pension, ziehe mich um und schaue heute Nachmittag zur Abwechslung mal in dieses riesige Wellnesshotel in St. Johann? Dort gehe ich dann ins Hallenbad und in die Sauna und lasse mich anschließend anständig durchkneten. Erholung pur. Das war doch der ursprüngliche Plan gewesen? Oder etwa nicht?
37
Johanna hatte das Klebeband um den Mund der Kleinen zu fassen bekommen und zog daran. Die hatte natürlich längst verstanden, was die blonde Frau vorhatte, und drehte sich gleich darauf mit dem ganzen Körper um ihre eigene Achse. Johanna musste ihr Ende jetzt nur noch gut festhalten. Zehn Minuten später war der Knebel Geschichte. Das Mädchen begann sogleich damit, die Knoten von Johannas Fesseln mit ihren Zähnen zu lockern. Kurz darauf hatte sie es geschafft. Johannas Hände waren frei. Der Rest war ein Kinderspiel. Als sie sich wieder einigermaßen bewegen konnte, nahm die blonde Holländerin ihre tapfere Mitgefangene erst einmal fest in den Arm.
»Wie heißt du eigentlich, Schätzchen?«, fragte sie das tapfere Häufchen Elend an ihrer Brust.
»Jessika. Jessika Lohmeier. Von Computerteile Lohmeier. Ich bin in München geboren.
Aber seit letztem Jahr wohnen wir hier in Kitzbühel.«
»Und die Männer haben dich entführt?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich glaube schon. Die wollen bestimmt ganz viel Geld von meinen Eltern.«
»Das glaube ich allerdings auch. Aber da werden wir den miesen Kerlen kräftig in die Suppe spucken. Was meinst du?«
»Ja, bitte.« Jessika begann zu weinen. Zu lange hatte sie tapfer sein müssen. Doch jetzt, in den Armen der netten blonden Frau, gab es auf einmal kein Halten mehr.
»Ich heiße übrigens Johanna«, stellte sich Johanna vor. »Und ich verspreche dir, dass du deine Eltern bald wiedersiehst. Wir kommen hier raus. Ganz bestimmt. Versprochen. Ich kenne nämlich einen Polizisten. Und der sucht bestimmt schon nach mir. Und wenn er diese widerlichen Männer in die Finger bekommt, macht er Hackfleisch aus ihnen. Okay?«
»Hackfleisch ist gut.« Jessika musste gleichzeitig lachen und weinen.
38
Max lag bequem auf dem Bauch und war jeden Moment im Begriff wegzudösen. Die Massagebank war wesentlich bequemer als sie ausgesehen hatte. Die hübsche Physiotherapeutin aus Innsbruck, die sich gerade über ihn beugte und sanft seinen eingeölten Rücken massierte, hatte sich ihm als Sandy vorgestellt. Und Sandy verstand ihren Job. So viel war sicher. Einfach himmlisch. Alle Sorgen und jeder Liebeskummer werden aus dem Körper gestreichelt. Da ist anscheinend wirklich was dran, an diesem Ayurveda. Wieso bin ich eigentlich nicht schon früher auf diese Idee gekommen?
Gleich nach seiner Mittagspause vor der Skihütte war er zum Parkplatz hinuntergestochen, in sein altes Auto gestiegen und direkt in seine Pension nach St. Johann hinübergefahren. Dort hatte er kurz geduscht und sich umgezogen und war anschließend an der verschneiten Talstation der Kitzsteinhornbahn vorbei hierherspaziert. In das Berghotel, ein herrliches, riesengroßes Haus, in dem man
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