Alpenkasper
langsam unterging und alles in ein goldenes Licht tauchte. Es sang ein Chor, und es war immerhin besser als tot zu sein, erschlagen und aufgeschlitzt von Tausenden von Bierkrügen.
Ein knapp 60-jähriger Pfarrer begann zu predigen. Er sprach leidenschaftlich, Tanja meinte, Tränen auf seinen Wangen zu sehen. Er redete über die Mutter Gottes, den einzig wahren Freund, den der Heiland je gehabt habe, die zu ihm gestanden habe von der Geburt über die Flucht nach Ägypten bis hin zu seinem schrecklichen Tod am Kreuz. »Denken Sie an den besten Freund, den Sie je hatten. Fragen Sie sich ehrlich: Wäre dieser Kamerad durch all dies gegangen für mich? Durch Flucht, Krieg, Krankheit, Spott und Tod?« Die Schmerzen einer Geburt seien nicht zu vergleichen mit allen anderen Wehen, die ein Mensch im Laufe seines Lebens zu erdulden habe, »aber sie werden ausgeglichen mit dem Geschenk des Lebens, das die Mutter in ihre Hände gelegt bekommt. Was aber, wenn die Mutter in dem Moment schon weiß, dass sie kaum 33 Jahre später in genau dieser Pose wieder dasitzt und wieder ihr Kind in Händen hält, nur ist es diesmal tot und mit ihm nicht nur ihr Sohn, sondern die Hoffnung der ganzen Welt gestorben?«
Tanja weinte jetzt auch, sie war tief ergriffen von den Worten dieses Pfarrers, der jetzt anhob zu wettern über die ökumenischen Pfarrer, die die Eucharistie feierten, als ginge es dabei tatsächlich nur um ein Stück Brot, das man auszuteilen habe. »In der Eucharistie, liebe Mitchristen, feiern wir die Verbindung Gottes zu uns Menschen, besiegelt durch die Person Mariae, deren Heiligkeit sowie die der anderen, die im Kampf für Gott ihr Leben ließen, manche, die sich ebenfalls Christen nennen, sich weigern anzuerkennen. Diese gehören nicht an unsern Tisch. Amen.«
Ein zustimmendes Raunen wogte durch die Menge. »Wo sind wir hier gelandet?«, fragte Tanja Trimalchio.
»Das ist Maria Vesperbild, so etwas kannst du hier jeden Sonntag erleben, wenn es auch im Mai besonders intensiv ist«, erklärte Trimalchio.
»Ich finde es toll.«
»Im Ernst?«
»Lass uns nachher noch in die Kirche gehen, ich will das von innen sehen, wenn keine Leute mehr drin sind.«
»Wie sollen wir unseren Fahrer dann wiedertreffen?«
»Da ist noch Fahrzeugsegnung, da haben wir genügend Zeit, zurück zum Auto zu kommen.«
In einer feierlichen Prozession verließ die Geistlichkeit mit vielen Ministranten und dem Chor die Kirche, sie gingen zum Parkplatz, um die Fahrzeuge dort zu segnen. Nach der allgemeinen Segnung gingen mit dem Prälaten noch sieben Priester durch die Reihen mit den zahlreichen Fahrzeugen und segneten sie alle mit Weihwasser und den Worten »Maria segne dieses Fahrzeug und seine Insassen.« Eine Musikkapelle lieferte den Klangrahmen. Das Volk folgte und bekreuzigte sich, Tanja und Trimalchio betraten die verlassene Kirche. Tanja drehte sich einmal um sich selbst und jauchzte. Sie nahm Trimalchio bei der Hand und führte ihn vor bis zum Altar, wo sie stumm standen und nach oben zur Mutter Maria blickten.
»Du, ich höre was«, sagte Tanja. »Ist das am Ende eine Taube, die da oben den Weg nach draußen nicht mehr findet?« Sie deutete zur Empore.
»Es klingt auf jeden Fall so.«
Hurtig und doch behutsam, um das Tier nicht zu erschrecken liefen sie nach oben. Hinter einer Bank bewegte sich etwas, vorsichtig näherten sie sich, Tanja ließ Trimalchios Hand nicht aus. Sie beugten sich nach vorne und blickten direkt in das Gesicht einer Blondine, deren Freund im selben Moment gerade über ihr lag und in sie ejakulierte. »Jessas!«, stieß sie lustvoll hervor.
Hinter Tanjas und Trimalchios Rücken kreischte jemand: »Herr Gott im Himmel!« Trotz des Entsetzens gelang es der gesetzten Dame, die das sehen musste, noch ein Beweisbild mit ihrer Handykamera zu schießen und dann nach draußen zu flüchten unter lautem Gewimmer.
Die Liebenden rafften ihre Sachen zusammen und kleideten sich vor den nicht minder überrumpelten Polizisten an. Der Mann bedeckte die Blöße seiner Frau, indem er den beiden seinen nackten Hintern hinstreckte. Sie hatten sich noch nicht geordnet, da füllte sich die Kirche mit schreienden und sich bekreuzigenden Menschen. »Die waren es!«, wurde geblökt und man zeigte dabei auf das andere Paar, das nicht Tanja und Trimalchio waren. Die Geächteten stiegen unter »Pfui Teufel!«-Rufen nach unten, sie wurden gestoßen und getreten. Vor der Kirche warteten drei Polizeiautos mit Besatzung auf sie. Unsanft
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