Alpenkasper
wurden sie auf den Rücksitz befördert.
»Du hattest recht. Die Kollegen werden uns nach Hause bringen«, freute sich Trimalchio.
Jemand tippte an seine Schulter. Trimalchio drehte sich um und schaute einem ernsten alten Mann ins Gesicht. Am Kragen von seinem schwarzen Jackett hing ein silberner Kreuzanstecker. »Sind Sie diejenigen, die das sündige Paar entdeckt haben?«
»Indirekt ja.«
»Folgen Sie mir bitte ins Klosterstüberl.«
Mechanisch trabten sie dem Alten nach. Unterwegs erklärte er ihnen: »Der Herr Prälat will mit Ihnen reden.«
Sie kamen in die Gastwirtschaft, aus einem Nebenraum stank es nach Zigarrenrauch. Es saßen dort der Prediger und zwei weitere Würdenträger bei Presssack und Weißwein. Sie schauten erwartungsvoll auf die Ankommenden. Der Prälat lud freundlich ein: »Nehmen Sie Platz!«
Vorsichtig kamen sie der Aufforderung nach. »Mir ist zu Ohren gekommen, was Sie mitmachen mussten. Unerhört. Manchmal geschehen Dinge zwischen Himmel und Erde, die selbst ich nicht erklären kann. Manchmal spüren wir, wie der Teufel direkt durch unsere Räume zieht und die Anwesenden zerstört. Traurig, traurig. Aber es gibt immer einen Weg zurück zu Gott, das dürfen wir nicht vergessen, auch für die beiden, auch für diese. Sie brauchen Kraft. Bedienen Sie sich.« Zwei weitere Teller wurden aufgetragen, sie aßen Presssack und tranken von dem hervorragenden Wein. Der Prälat feuerte sie an: »Langen Sie zu, Sie sind meine Gäste.«
Bei einer Zigarre hinterher fragte der Hohe Geistliche sie noch aus. Tanja gestand, dass sie geweint habe, bei der Predigt. Der Prälat und die anderen segneten sie.
»Ich spreche zu den Herzen und nicht zu den Hirnen, so öffnen sich die Menschen. Ich erlebe das oft, dass Zweifler sich hier einfinden und nach dem Gottesdienst überzeugt nach Hause fahren.«
Tanja stimmte verklärt zu. »Oh ja.«
»Sie sind miteinander verheiratet?«
Trimalchio erklärte: »Nein. Wir sind Kollegen.«
»Aha, verstehe.«
Gefragt, gab Trimalchio zu, dass sie Polizisten seien. Da wurde der Prälat plötzlich ganz still. »Ich hätte Ihnen angeboten, Sie nach Hause zu fahren, aber besoffen einen Polizisten zu kutschieren, ist ja wie den Teufel zum Grillen einzuladen.«
Beide beteuerten, nicht im Dienst zu sein, sich extra freigenommen zu haben, um den Prälat in Vesperbild zu erleben, allein es half nichts: Nachts um zehn befanden sich Tanja und Trimalchio auf der Bundesstraße 300, zu Fuß und ungefähr 30 Kilometer von Augsburg entfernt. Sie schimpfte: »Sag super, Hochwürden, und halt einfach das Maul nächstes Mal.«
»Das Vernünftigste, was zwei Erwachsene machen können, wenn sie sich in einer Früh-Sommernacht 30 Kilometer von ihrem Ziel entfernt finden, ist sich ins Kornfeld zu legen und ein wenig Liebe zu machen.«
Sie schubste ihn von der Straße. »Mach’s dir doch selber, du Depp.«
Gleich hätte er auch einen Grund gehabt, über sie herzuziehen, denn just als sie sich abseits befanden, rauschte ein Auto vorbei, und es war immerhin der 13., den sie versucht hätten herauszuwinken. Er hätte halten können – und er hielt auch, fuhr sogar zurück, damit die beiden nicht zu weit zu gehen hatten. Der Fahrer war ein Bekannter. Jetzt war beinahe alles gut.
»Jetzt bin ich froh, dich zu treffen«, gab Tanja zu.
»Wie war euer Tag?«, fragte er sie, nachdem sie sich begrüßt hatten.
»Es ist viel passiert«, antwortete Trimalchio, »auch wenn wir nicht alles erreicht haben, was wir wollten. Und bei dir? Du hast wieder nach Birne gesucht? Sag mal, du blutest ja am Arm.«
»Das ist nur eine Kleinigkeit«, winkte Jakob ab.
»Warst du…? Warst du vielleicht in Oberschöneberg?«
»Scheiße«, schrie Tanja von hinten. »Ich hör gerade auf der Mailbox, dass sie den Franzbein von der Theaterkantine tot aufgefunden haben.«
»Scheiße!«, schrien die Männer und das Auto tat einen kleinen Schlenker auf der Straße nach Augsburg.
Vormittagswühlen
Die Nacht war unruhig. Jakob wachte des öfteren auf und benötigte jedes Mal lange, bis er wieder weg war. Gegen Morgen fuhr er seinen Computer hoch und las sich auf der Internetseite die Zeitung des grauenden Tages durch – seine Artikel. Die Eilmeldung auf dem Titel betraf den Mord an dem Kantinenchef. Er sei nicht weit vom Theater in einem Gebüsch gelegen, unappetitlich hergerichtet. Eine Stellungnahme der Polizei gebe es noch nicht. Um halb sechs wechselte Jakob den Verband an seinem Arm, machte sich einen Kaffee,
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