Alpenkasper
Geschenk.« Birne zog an seiner Zigarette und aschte auf die Straße unter ihnen. »Endlich wird das Wetter besser.«
»Was hast du vor?«
Birne griff sich Jakobs Arm mit dem Verband. »Du hast Probleme mit dem Lugner bekommen.«
»Das ist bei weitem nicht so schlimm ausgegangen, wie es hätte enden können.«
»Du hast Glück gehabt – dieses Mal. Wenn er erfährt, dass ich Kontakt zu dir aufgenommen habe, dann wird er es wieder versuchen. Solange er nicht weiß, wo wir sind, ist es in Ordnung, aber ich denke, wir werden Probleme kriegen.«
»Was will der?«
»Ich weiß es ehrlich gesagt nicht so genau. Es ist auf jeden Fall gescheiter, wenn wir ihn kaputt machen.«
»Wahnsinnig gefährlich kam er mir nicht vor, eher ein bisschen lächerlich.«
»Täusch dich nicht. Die Dummen sind die Gefährlichen.«
»Wird er uns nicht hier als erstes suchen?«
»Kann sein. Hauen wir ab. Du kannst noch Auto fahren?«
Birne setzte sich mit der Schüssel und einer Tasse auf den Beifahrersitz.
»Und Katharina?«, fragte Jakob, den Schlüssel im Schloss.
»Solange Lugner nicht ahnt, dass wir zu zweit unterwegs sind, wird er sie in Ruhe lassen. Fahr los.«
»Und ihr Auto? Sie wird ihr Auto vermissen. Nur du hast den zweiten Schlüssel. Sie wird wissen, dass du den Wagen hast.«
Birne schenkte nach. »Sie soll wissen, dass ich noch am Leben bin.«
»Clemens hat dich auch schon gesehen, ein paar Freunde von ihm. Sie weiß, dass du noch am Leben bist, sie weiß nur nicht, warum du dich nicht bei ihr meldest. Warum redest du nicht mit ihr?«
»Clemens, Clemens, Arschloch Clemens. Fahr jetzt endlich.«
»Wohin?«
»Nach Oberschöneberg.«
»Zum Lugner?«
»Zum Lugner.«
Gartenversteck
Birne ließ ihn auf einen Feldweg abbiegen. Sie umrundeten das Dorf und parkten hinter der Hecke von Lugners Anwesen. Sie konnten nicht sehen, was da drin vor sich ging. Zu hören war nichts. Mit Mühe zwängten sie sich zwischen der Hecke hindurch und kamen so in den Garten. Sie standen neben einem Weiher, Goldfische glotzten zu ihnen aus dem Wasser heraus. Ansonsten hatte anscheinend niemand ihre Anwesenheit bemerkt. Im Garten war keiner. Der Rasen lag friedlich gemäht vor ihnen. Büsche raschelten im sanften Wind. Von fern hörten sie jemanden mit einer Motorsäge agieren. Sie schlichen zum Haus und schauten durchs Fenster ins Arbeitszimmer, in dem Jakob gelegen hatte. Niemand drin.
»Ich würde gern versuchen, da reinzukommen«, sagte Birne.
»Fühlst du dich fit genug?« Jakob rümpfte seine Nase.
»Wieso fit?«
»Du bist besoffen.«
Birne wurde unangemessen laut. »Du hast keine Ahnung, was es heißt, besoffen zu sein.« Er ließ Jakob stehen und bog um die Hausecke auf der Suche nach einem Eingang.
Viereinhalb Sekunden später hörte Jakob ihn »Hilfe!« schreien.
Hinter ihm war ein Dobermann her und der hätte Birne zerrissen, hätte er nicht das Winseln gekriegt beim Anblick Jakobs. Er duckte sich und bellte die Einbrecher an, hatte aber offensichtlich Angst.
»Brav«, sagte Jakob und ging auf das Tier zu. »Ganz brav.« Als er eine Hand ausstreckte, stach der Hund los und floh außer Sichtweite.
»Respekt«, lobte Birne außer Atem und klopfenden Herzens. »Der Hund hat Respekt vor dir.«
»Kommen wir da rein?«
Birne hatte niemanden bemerkt drinnen. Auch nach dem Hundeangriff schaute keiner draußen nach. Die Brüder nickten sich zu und lächelten plötzlich.
»Zeit zu handeln, was?« Birne klopfte Jakob auf die Schulter.
»Vorher noch eine rauchen?« Jakob bot Birne aus der Schachtel an. Und Birne ließ sich überreden.
Birne entdeckte, dass die hintere Garagentür zum Garten unverschlossen war. Von der Garage führte eine Tür ins Wohnhaus. Sie durchstreiften das Erdgeschoss. Von den Bewohnern keine Spur. Die Küche – Frau Lugners Bereich – war unaufgeräumt. Auf den Arbeitsplatten klebten Speisereste, die Spülmaschine lief.
»Lange können sie noch nicht weg sein.«
Im ersten Stock fanden sie noch in einem Raum einen Schreibtisch und geräumige Büroschränke.
»Hier praktiziert er, der Wunderheiler«, erklärte Birne seinem Bruder.
»Sieht nicht aus wie eine Praxis, sieht aus wie im Arbeitsamt«, stellte Jakob fest
»Wieso Arbeitsamt?«
»Ist das auf dem Bild Stonehenge?«
»Kann schon sein und das sind Runen, schau mal. Wir sind in einem Druidenhaushalt.«
»Was ist in den Ordnern?«
Nachbarhaus
Der Oberschöneberger Nachbar war misstrauisch geworden. »Meine Frau hat gesagt,
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