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Alpenlust

Alpenlust

Titel: Alpenlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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was?«
    »Nein. Ich ließ ihn sitzen.«
    »Keine schöne Geschichte.«
    »Wieso?«
    »Ihr hättet zusammenkommen können am Ende, es hätte Jahre später erst nicht mehr klappen können, davon hätte man nicht mehr erzählen wollen.«
    »Lieber Birne, man kommt so oft nicht zusammen.«
    »Das ist wahr.«
    »Er hat wieder angerufen, es gibt Anrufbeantworter, ich hab ihn meinen vollquatschen lassen. Ich war fertig mit ihm. Er zappelte so schön, ohne dass ich was machen musste. Man kommt so oft nicht zusammen.«
    »Da fehlt eine Menge zwischendrin bis zu dem Mädchen, das du jetzt bist.«
    »Stimmt schon. Kein Mensch sagt Mädchen zu mir. Danke. Und du?«
    »Mich nennt auch keiner mehr Mädchen.«
    »Und ein Stück, zu dem Buben, der der Birne jetzt ist?«
    »Ja, zum Beispiel wurde ich mal entführt mit einem Mädchen, das hab ich dann dauernd angerufen, nachdem wir draußen waren. Aber ich glaub, sie hat mich ihren Anrufbeantworter nur vollquatschen lassen. Ja, Schade.«
    »Ja schade, aber die Regel ist nun mal: Wenn, dann verliebt sich das Mädchen nur in den Entführer, der Mitentführte bleibt der gute Mann, der für einen sorgt, wenn es dir nicht gut geht, aber der Entführer ist der Abenteurer. Schade, Birne, schade um die Minuten am Telefon.«
    Die Tür flog auf. Entführer Ben trat herein, sagte: »Scheiße Mann, ich brauch deine Hilfe. Komm mit.«
    Er nahm Birne mit, ließ Nina zurück.
    Er hatte kurz wegwollen, was besorgen, hatte ein anderes, ein eigenes Auto benutzt, der grüne Golf war versteckt worden in einem Schuppen. Er war nicht weit gekommen, kurz vor der Straße war ihm ein Tier, ein Dachs, vor die Haube gelaufen und von ihm tot gefahren worden. Er hatte geflucht, war ausgestiegen, hatte sich gewundert, wie viel Schaden ein so kleines Tier anrichten konnte an einem so großen Auto. Er war zurückgefahren ein Stück mit der festen Absicht, eine seiner Geiseln zu töten, um sich wenigstens ein bisschen Ausgleich zu verschaffen. Doch dann wurde ihm bewusst, dass er den Dachs nicht liegen lassen konnte, dort, wo man ihn von der Straße so gut sehen konnte. Da hätte er gleich ein Schild aufstellen können mit der Aufschrift ›Hier Entführungshauptzentrale‹ oder ähnliches. Er wollte das Tier packen und vom Weg schleifen, in den Graben oder ins Dickicht werfen, doch dann stellte er fest, dass er es nicht konnte. Er konnte dieses verfluchte Tier nicht anfassen: Ekel durchwallte ihn, er hätte sofort kotzen müssen. Da war ihm eingefallen, dass er nicht allein war, dass da noch Birne, sein Gefangener war. Pfeifend war er zur Hütte marschiert.
    Birne wiederum fühlte sich geschmeichelt, endlich konnte er sich einbringen. Er war auf seinem Weg vom Opfer zum Mittäter ein gutes Stück weitergekommen. Der andere hatte ihn losgemacht und auf seine Pistole gedeutet, die er in der Jackentasche stecken hatte und die jederzeit losgehen konnte, wenn jemand fliehen wollte. Birne hatte das zur Kenntnis genommen und Ben beruhigt. Er wollte ihm helfen und nicht fliehen.
    Das Tier lag da, demoliert, verformt, aber weniger blutig, als Birne gedacht hatte. Der Dachs stank bestialisch. Birne glaubte nicht, dass das schon Leichengeruch war. Ein bisschen angewidert beugte er sich nieder, wusste nicht recht, wie man so eine Leiche anpackt, um sie am geschicktesten wegzuschleifen. Er wurde dreckig vom Boden und ein wenig vom Blut, brachte den Dachs aber kaum vom Fleck: Der war sauschwer. Birne fiel ein, dass er für den Rest der Entführung gar kein Wechselgewand dabei hatte. Würde er jetzt stinken, ohne duschen zu können, würde ihn Nina bestimmt zurückweisen, obwohl sie sicher Härteres gewohnt war.
    Ben entschuldigte sich: »Sorry, ich kann das mit Menschen, aber das widert mich an. Ich bin dir echt dankbar.«
    »Keine Ursache«, stöhnte Birne, der kaum weiterkam. »Ich glaube, der hat geschissen.«
    »Oh nein, nicht das noch.«
    Dann tauchte der Rentner mit dem »Sie – was machen Sie da?« auf und veranstaltete Ärger mit dem Handy in der Hand.
    Ben reagierte erstaunlich unsicher. »Lassen Sie uns doch reden«, schlug er vor.
    »Nein, das muss seine Ordnung bekommen, das hätten Sie sich früher überlegen müssen. Tut mir leid.«
    »Ich habe Geld.«
    »Sie können mich nicht bestechen, ich war fast 50 Jahre im Staatsdienst.«
    Birne blickte vom einen zum anderen und sah Ben Boden verlieren, er war den Tränen nahe, etwas musste passieren. Birne kletterte aus der Wegmulde, in der der Dachs überfahren worden war,

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