Alpenlust
und stellte sich verstärkend neben Ben.
»Zufällig bin ich Polizeibeamter, Sie können sich den Aufwand schenken«, mischte er sich ein.
»Und ich bin Onkel Dittmann aus der Orangensaftwerbung«, schnauzte der Alte zurück.
Birne forderte streng: »Lassen Sie das.«
»Nein.« Er wählte, wusste offenbar die Nummer der örtlichen Polizeiinspektion auswendig.
Birne tat nun etwas, was er hinterher nur schwer erklären konnte. Er trat ganz dicht an Ben heran, so nah, dass er in dessen Tasche langen konnte und die Pistole herausziehen konnte, was jener gar nicht wahrnahm. Er stand erstarrt da, sah sein jahrelanges Spiel kurz vor der Aufdeckung.
Birne hielt die Waffe in der Hand und richtete sie langsam auf den Rentner, der nichts bemerkte. Birne sagte kein Wort der Warnung, Birne hasste diesen Bürger bis aufs Blut, Birne drückte ab und verfehlte sein Ziel keinen Millimeter. Es knallte erschreckend laut, der Alte starrte die beiden entsetzt an, sein Mund öffnete sich einen Spalt, bevor er nach hinten fiel und sich auf seinem Hemd, dort, worunter sich das Herz befinden musste, ein roter Fleck breitmachte. Die beiden Überlebenden sagten nichts. Birne fühlte eine eigenartige Ruhe in sich. Auch Ben verhielt sich still, er dachte wohl, er sei der Nächste, der eine Kugel einfangen würde und schwankte zwischen drei Möglichkeiten: spontane Flucht, Birne überwältigen oder einfach nur abwarten, was passiert.
Da geschah noch etwas Unerwartetes: Die Szene war von einem Zeugen, einer Zeugin vielmehr, beobachtet worden. Der Rentner war mit seiner Frau unterwegs auf der Suche nach den ersten Schwammerln des Jahres gewesen – bei den Temperaturen in diesem Jahr konnten sie sogar Erfolg haben – und seine Frau schrie nun, dass der Wald hallte, da sie soeben gesehen hatte, wie Fremde ihren Mann niedergestreckt hatten. Die Frau schrie. Birne zielte auf sie. Doch seine Treffsicherheit hielt nicht an: Sein erster Schuss verfehlte sie, veranlasste sie aber, um ihr kümmerliches Leben zu rennen. Sie lief und brachte sich in Gefahr, nun statt an Birnes Kugeln an einem Herzinfarkt zu sterben. Birne ihr hinterher unter beständigem Betätigen des Abzugs, allerdings ohne die Frau zu verletzen. Birne erkannte aus der Ferne, dass sie auf ein silbernes Auto irgendwelcher japanischer Herkunft zusteuerte. Birne hörte auf zu schießen, fing dafür an zu brüllen wie ein verwundetes Wild und blieb auf ihrer Fährte. Sie traute sich nicht, die Autotür aufzureißen und den Motor zu starten, sie rannte weiter zwischen Buchen und Birken in den Wald. Birne hielt am Wagen und zerschoss die vier Reifen zielsicher und jagte der Frau Kugeln hinterher, die sie allesamt verfehlten, bis sein Magazin leer war.
»Ja komm doch, du blöde Hexe, dann lass ich dich das Teil fressen und meines dazu«, schrie er ihr nach, ohne sie zu sehen, ohne zu wissen, ob sie ihn hörte.
Er atmete heftig, spürte sein Herz schlagen. Was hatte er getan? Ohne Reue? Sie würde vielleicht umkippen wegen der Anstrengung. Er musste hinterher und nachsehen, was aus seiner Beute geworden war.
Ben tauchte neben ihm auf. Er war ebenfalls etwas außer Atem. Ahnungslos, ohne ein Wort, blickte er Birne an. Was jetzt?, signalisierten seine Augen.
10. Jagd
»Birne ist mit einer Prostituierten und einem weiteren Mann irgendwohin verschwunden. Ich kann mir keinen Reim darauf machen.«
Tanja schnaubte verächtlich. »Vielleicht ist er verliebt und duelliert sich im Wald mit dem anderen um die Hand der Schönen. Sie war doch schön?«
»Ja schon. Also nicht so wie …«, stammelte Trimalchio .
»Wie?«
»Nicht so wichtig:«
Ein Schweigen trat zwischen sie.
»Was kann man jetzt machen? Hubschrauber?«
»Fände ich übertrieben. Weißt du, der Birne ist hier so reingerutscht, weil er ein gewisses Talent für die Arbeit bewiesen hat. Ich meine, in seinen Händen liegt die Sache ganz gut: Du wirst sehen, der kommt da mit einem Lächeln im Gesicht raus.«
»Ich hoffe es. Ich hab halt nur Angst, weil ich langsam seine Schwächen kenne.«
»Die haben wir alle. Ich hab auch meine Schwächen«, sagte Trimalchio . »Du mich zerreißt es fast vor Appetit. Komm, wir gehen was essen.«
»Du danke. Ich will mir noch ein, zwei Gedanken zur Sache machen.«
»Ich lade dich ein. Komm.«
»Nein, es ist besser, wenn ich allein bin und den Kopf frei habe.«
»Alles klar, dafür kann ich natürlich nicht garantieren.«
Der Zeugplatz ist ein Platz im Zentrum, der ein wenig abseits
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