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Alpenlust

Alpenlust

Titel: Alpenlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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ebenso aufregend waren, konnte man nicht von einem entspannten Entführen reden, eher von Nervenkrieg. Dass man davon schneller alt und müde wurde, war einzusehen. Ben und Heinz hatten nichts bemerkt. Birne musste ihnen schwören, dass sich da was bewegt hatte. Heinz sollte raus und nachsehen. Von ihm wussten die Bullen, dass er daheim war. Er unterstellte ihnen wiederum, einen Vorwand zu suchen, ihn aus dem Haus zu locken und ihn erneut zu hintergehen. Erst als Birne anbot , selbst hinauszugehen, und die Hand schon am Türgriff hatte, gab Heinz nach und schlich in den Garten. Birne meinte, ein angedeutetes harmonieloses Pfeifen zu hören, als Heinz die Schiebetür zum Balkon hinter sich zuzog.
    Birne erwähnte Ben gegenüber, dass ihm die Entführerei ziemlich stressig erscheine.
    »Da ist gerade der Teufel drin, sonst ist alles viel friedlicher«, antwortete der, als wollte er seinen Nachfolger nicht vergraulen. Sie beobachteten so unauffällig wie möglich, was im Garten passierte. Heinz versteckte sich nicht, er schritt über sein Anwesen, schaute hinter jeden Strauch. Wie ein Gespenst aus dem Nichts tauchte plötzlich der Polizist vor dem Balkonfenster auf, Birne und Ben hätten gern hysterisch aufgeschrien, doch Heinz kam ihnen zuvor: »Hallo. Was machen Sie da?«
    »Ich seh mich um«, antwortete der junge Polizist.
    »Dazu brauchen Sie einen Durchsuchungsbefehl«, wies Heinz ihn auf eine Tatsache hin.
    »Sie haben mich doch selbst hereingebeten.«
    Vampire zum Beispiel können einem nichts anhaben, wenn man sich in den eigenen vier Wänden aufhält. Da können sie nicht rein, auch ohne Knoblauch. Wenn man sie allerdings einlädt, weil sie es geschafft haben, so zu tun, als seien sie Normalsterbliche und keine Untoten – Vampire können sehr charmant und geistreich sein –, wenn sie sich einmal den Zugang zu deinem Haus erschlichen haben, dann musst du sie mit einem Pfahl durchs Herz töten, sonst saugen sie dein Blut. Oder du lässt dich beißen und wirst unsterblich. Wenn dir das reizvoll erscheint, so glaub mir, nach spätestens 100 Jahren ist es die Hölle. Dieser ständige Durst nach Blut, dieser ständige Durst, wie ein Schwamm zu sein und sich bis in die Unendlichkeit mit Blut vollzusaugen. Und es gibt Vampire, die ließen sich einladen in der stillen Hoffnung, nicht Blut trinken zu dürfen, sondern gepfählt zu werden. Birne liebte Vampirfilme, es gab zu wenig, aber das ist eine andere Geschichte.
    Hier handelte es sich um einen Polizisten, und Heinz war im Recht. Der benötigte einen Durchsuchungsbefehl, um hier rumzuschleichen. Blut war ihm in jedem Fall verwehrt. Darauf wies Heinz ihn hin. Der junge Polizist wurde verlegen. Wenn Heinz jetzt noch nach dem Vorgesetzten fragte und mit Dienstaufsichtsbeschwerde drohte, war die Situation heikel.
    Der Kollege aus dem Auto rettete ihn. Die Hecke wackelte und der Kollege war da. »Gibt’s Probleme, Kollege?«, fragte er und dann gleich aggressiv zu Heinz: »Sie behindern laufende Ermittlungen, das kann Sie im Zweifelsfall teuer zu stehen kommen.«
    »Das ist mir ganz egal. Sie haben nichts auf meinem Grundstück verloren.«
    Die zwei Polizisten standen ratlos vor dem Hausbesitzer. Ein Schritt zu weit konnte für sie böse Konsequenzen nach sich ziehen. Wenn sie jetzt aber kampflos aufgaben, gestanden sie Heinz gegenüber ein, im Unrecht zu sein. Heinz’ Oberkörper begann zu wippen. Die jungen Beamten näherten sich ihm behutsam. Ben und Birne konnten von ihrem Posten nur schlecht erkennen, was los war, schließlich erkannten sie, dass Heinz wie gerade Ben in Tränen ausgebrochen war. Erwachsene Männer, die so Ungeheuerliches durchgeführt hatten.
    »Sie müssen entschuldigen«, erklärte sich Heinz. »Bei mir stürzt heute alles zusammen, der Betrieb, die Beziehung. Ich fühle mich wie ein Haufen Nichts. Nichts mehr.«
    Die Zeit für Rührung war gekommen. Verständnis. Schulterklopfen. Beinahe ein Angebot, dem Gebrochenen Tee zu kochen, ihm die Beine zu umwickeln und ihn auf einen Sessel zu legen. Entspannendes Fernsehprogramm einzustellen, Freund und Helfer zu sein, bis die schlimmste Krise überwunden war. Allein: Sie mussten weiter. Hier, nicht weit von hier, hielten sich Entführer, Mörder, Kannibalen, Schänder auf. Los. Zurück durch die Hecke. Und die besten Wünsche. Bald wird alles gut. Scheitern bedeutet neue Chance. Und umgekehrt.
    Heinz könnte ein guter Schauspieler sein. Er hatte gut gemimt, um die Schnüffler schnell und sicher

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