Alphabet der feinen Kueche
Wintern sehe ich vor meinem inneren Auge eingemummelte Bäuerchen, die zarte Blattrosetten mit bloßen Händen aus meterhohen Schneewehen graben, die Wirklichkeit sieht natürlich anders aus.
Klaus Böhler, Feldsalatproduzent auf der Bodenseeinsel Reichenau, gräbt keine Tunnel, er stellt höchstens welche auf: Wenn Schnee liegt, kommt Feldsalat aus dem unbeheizten Folientunnel. Die Pflanze überlebt zwar tiefe Temperaturen, doch ernten kann man sie nur bis knapp unter null Grad, solange die Blätter noch nicht gefroren sind. Sonst verwelkt der Salat sofort. In Gegenden, wo der Salat ausschließlich auf Feldern steht, setzt die Ernte im tiefen Winter aus. An frostfreien Tagen schneiden unzählige Erntehelfer die einzelnen Röschen ab, putzen sie und legen sie fein säuberlich nebeneinander in die Verkaufskisten. Diese Kisten aus blauem Gitterplastik fahren dann durch ein Sprudelbad, sozusagen einen Salat-Jacuzzi, um Erdreste zu entfernen, ohne die schöne Ordnung in der Kiste zu stören. Wild wächst Feldsalat am Rande von Feldern, Äckern oder Weinbergen, wobei der König der Salate lange Zeit als essbares Unkraut galt.
Wie die meisten Blattgemüse speichert auch Feldsalat Nitrate, die stickstoffhaltigen Salze der Salpetersäure. Der Nitratgehalt von Salaten hängt ab von Düngung und Belichtung: Wenn Salat so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich gedüngt wurde, dann enthält er weniger Nitrate als überdüngter Salat. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Bauer mit Pferdeäpfeln oder mit Industriedünger arbeitet. Außerdem werden die Stoffe mit Hilfe von Licht abgebaut: Salate auf dem Feld bekommen mehr Licht als ihre Verwandten im Treibhaus. Meine Forderung: Freiland für Rapunzel!
Feldsalat mit Kartoffel-Linsen
• Vorspeise 100 g rote Linsen, 4 EL Apfelessig,
100 g Kartoffeln, 75 g Speck,
3 EL Öl, 1 TL Fenchelsamen,
1 Knoblauchzehe, 3 cm Vanilleschote,
2 TL Apfel- oder Quittengelee, 150 g Feldsalat
Linsen in Salzwasser mit 1 TL Essig ca. 10 Minuten bissfest kochen, abgießen, abschrecken. Kartoffeln und Speck klein würfeln. Den Speck mit 3 EL Öl in einer kleinen, beschichteten Pfanne knusprig braten, mit einem Sieblöffel herausnehmen. Die Kartoffeln im ausgetretenen Schmalz bei mittlerer Hitze 8 Minuten zugedeckt braten.
Fenchelsamen mit Knoblauch und 3 cm Vanilleschote fein hacken, mit Apfel- oder Quittengelee in die Pfanne geben. Umrühren, mit dem restlichen Apfelessig und 2-3 EL Wasser löschen, Speck und Linsen unterrühren. Sobald die Sauce lauwarm ist, mit 150 g Feldsalat mischen, abschmecken und sofort servieren.
Frage des Küchenalltags
Wie nennt man Feldsalat auch?
a. - Nüssli
b. - Mausi
c. - Wirbeli
d. - Blondi
Antwort: S. 328.
F elsenaustern
Bei einem Strandspaziergang in Sydney öffnete ich einmal zwei oder drei Muscheln mit dem Hausschlüssel und schlürfte sie aus: Die Austern waren klein und knackig, sie schmeckten süß-salzig und dufteten nach Gurken und frischem Meer. Das Wissen um das saubere Wasser mitten in der Stadt machte den Genuss der Sydney-Felsenaustern zu einer Offenbarung.
Bis dahin hatte ich wenig mit Austern zu tun gehabt: In den Gourmettempeln kreativer Köche, in denen ich das Glück hatte, als junger Koch zu arbeiten, spielt diese Muschelart kaum eine Rolle. Wir alten Europäer essen Austern am liebsten roh; Köche können ihre Schaffenskraft also nicht beweisen. Manchmal gab es Ausnahmen: In einem Restaurant auf Sylt servierten wir pochierte Austern mit Rotweinzwiebeln. In Hamburg füllten wir Ravioli mit den gleichen Sylter Austern, die ich roh ziemlich muffig fand.
Entscheidend für den Geschmack ist die Qualität des Wassers, aus dem sich Austern ernähren, wobei sie jede Stunde bis zu 25 Liter Wasser filtern. Viele Austern werden deshalb in ihren letzten Lebensmonaten an nährstoffreichen Flussmündungen gemästet, dort, wo sich Salz- und Süßwasser mischen. In diesen Regionen heißen die Austernbecken Claires, die Mastaustern Fines de Claires. Ich weiß nicht, was Felsenaustern in Sydney fressen - in den Becken von Marennes an der französischen Atlantikküste ist es eine Blaualgenart, die die Muscheln grün färbt und ihnen ein eigenes Aroma gibt.
Auch die Sorte spielt eine Rolle: Als besonders edel gilt die Europäische Auster, ihre berühmtesten Vertreter kommen aus Belon. Sie sind rund, symmetrisch, flach und glatt. Aber schon vor 100 Jahren waren die europäischen Austernbänke überfischt. Ohne Austernzucht gäbe es die Ostrea edulis
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