Alphawolf
veränderte sich in Claw. Die Anspannung in seinem Körper wich dem Erstaunen. Er sah Tala eingehend an. «Sie sieht nicht indianisch aus.»
Ein großer schlanker Mann trat aus dem Dunkel des Wohnzimmers in die Küche. Er hatte kurz geschorene Haare und ein rundliches Gesicht. «Mein Name ist Canis. Ich gehöre dem Stamm der Inupiaq an.»
«Meine Mutter ist eine Athabascan», sagte Tala. «Mein Vater Kanadier.» Ein Katholik.
«Athabascan?» Claw horchte auf.
Lupus legte die Hand auf Claws Oberarm, als wollte er ihn davon abhalten, Tala die Kehle herauszureißen. «In Dantes Adern fließt Athabascan-Blut. Die indianische Kultur ist eng mit den Wölfen verbunden. Sie haben sich immer gegenseitig respektiert und sich als gleichwertig betrachtet.»
«Das ist richtig», stimmte Canis ihm zu. «Beide gehen jagen, um ihre Leute zu ernähren, und würden ihr Leben für das Rudel bzw. den Stamm geben.»
Tala sah zwischen den Männern hin und her. Tunlichst verschwieg sie, dass sie zwar mit dem Glauben der Athabascan aufgewachsen war, ihn jedoch nicht praktizierte. Sie glaubte so wenig an Geister wie viele Katholiken an Adam und Eva. Aber das war nicht der richtige Moment, ihren Unglauben kundzutun. Flehentlich blickte sie Claw direkt in die Augen. Er wankte innerlich.
Lupus zog die Hand weg. «Ich denke, dass ihr Name ein Wink des Schicksals ist. Ein Zeichen.»
«Seit wann bist du abergläubisch?», fragte Claw spöttisch.
«Mein Instinkt sagt mir, dass wir Tala begegnen sollten», fuhr der alte Mann fort. «Unsere Fährten haben sich nicht grundlos gekreuzt. Sie hat eine Aufgabe zu erfüllen, eine, die mit dem Rudel verbunden ist, wahrscheinlich etwas, das mit Dante zu tun hat, weil sie vom selben Stamm sind.»
Tala wollte Dante auf keinen Fall noch einmal begegnen, wenn er tatsächlich die Kreatur gewesen war, die sie vor dem Alaska Native Medical Center gesehen hatte. Claw hatte ihn eine Bestie genannt. Aber für den Moment war ihr alles recht, wenn es sie nur heil aus dieser brisanten Situation befreite.
Sie sah ihm an, dass er über Lupus’ Worte nachdachte. Seine Stimme klang weicher, wenn auch nicht vollkommen überzeugt. «Welche Aufgabe könnte das sein? Sie ist nicht einmal ein Werwolf. Welchen Wert könnte sie für das Rudel haben?»
Lupus kratzte sich am Haaransatz. «Das weiß ich noch nicht, aber sie könnte erst einmal wiedergutmachen, was sie verbockt hat, und uns bei der Suche nach Dante helfen.»
Claw schnalzte. «Sie kann ja nicht einmal seine Fährte riechen.»
«Aber sie ist eine Athabascan, so wie er.» Der Alte sagte das beinahe ehrfürchtig.
Claw musterte Tala erneut intensiv. Er betrachtete ihre Brüste, ihre schlanke Taille und atmete tief ein, als würde er ihren Duft inhalieren. «Was sagst du dazu, Menschenfrau? Wirst du uns bei der Suche nach Dante helfen? Wirst du deinen Stammesbruder an uns verraten?»
Tala war mittlerweile sprachlos. Das alles war schwer zu verdauen. Sie hatte auf der Zunge liegen, dass sie rein gar nichts mit der Kreatur verband und sie zwar in der Kultur der Athabascan aufgewachsen war, ihr Zugehörigkeitsgefühl jedoch so dünn wie ein Bindfaden und nicht dick wie ein Seil war. Aber ihre moderne Denkweise konnte sie in diesem Moment das Leben kosten, deshalb nickte sie.
«Dann soll es so sein.» Claw ließ sie los und stieß sich vom Kühlschrank ab. «Du wirst dich umhören, ob jemand eine Wolfskreatur gesehen hat, die auf zwei Beinen ging, und uns Bericht erstatten. Und wir werden dir auf Schritt und Tritt folgen und dich nicht mehr aus den Augen lassen. Verrate uns und du bist des Todes. Du wirst von uns hören.»
Er gab seinem Rudel ein Zeichen. Während sie das Haus durch die Terrassentür verließen, machte er einige Schritte rückwärts, ohne Tala aus den Augen zu lassen. Schließlich drehte er sich um und folgte ihnen. Am Bücherregal ging er langsamer. Sein Blick glitt über die Buchrücken. An einem Roman blieb er hängen. Schmunzelnd nahm er ihn heraus. «Alphawolf», ein erotischer Werwolf-Roman. Der Titel war eindeutig und ebenso das Cover.
Claw bedachte Tala mit einem verlangenden Blick, der das Feuer der Angst, das in ihr loderte, in Lust wandelte. Es prickelte zwischen ihren Schenkeln. Sie konnte nicht fassen, dass ihr Körper auf diese Weise reagierte, wo Claw sie doch eben noch hatte töten wollen. Doch sie nahm ihm nicht ab, dass er sie tatsächlich umgebracht hätte. Oder war dies reines Wunschdenken?
Verlegen schaute sie auf ihre
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