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Alphawolf

Titel: Alphawolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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hatte Tala Zeit, ihn zu betrachten. Sein schlaksiger Körperbau täuschte darüber hinweg, dass er drahtig war. Eines Tages würde er ein athletischer junger Mann sein, einer, der mit seinem scheuen Blick viele Frauenherzen eroberte.
    «Worin liegt der Ursprung der Werwölfe?», bohrte Tala weiter und schnürte den Gürtel ihres Bademantels enger.
    Claw antwortete nachdenklich: «Es existieren einige Theorien.»
    «Natürlich.» Herausfordernd hob sie beide Augenbrauen.
    Ein leises Grollen stieg aus seiner Kehle. Doch er zähmte das Tier in sich, bevor es an die Oberfläche kommen konnte, und erklärte: «Eine davon besagt, dass sich ein Indianer auf die Jagd vorbereitet hat.»
    «Zu welchem Stamm er gehörte, weißt du nicht zufällig?», hakte sie spitz nach.
    Er drängte sie gegen den Schrank und stützte sich mit einer Hand neben ihrem Kopf ab. «Treib es nicht zu weit.» Einige Sekunden lang schaute er ihr schweigend – drohend – tief in die Augen. «Nein, seine Stammeszugehörigkeit ist mir nicht bekannt, aber sie spielt auch keine Rolle. Es geht nicht darum zu klären, wer Schuld hat. Werwölfe sind ein Wunder der Natur, das nur wenige Menschen zu schätzen wissen.»
    «Was ist dann mit Dante?» Ihre Frage war nicht provozierend gemeint. Tala war ehrlich neugierig.
    «Dante ist ein Wolfsmann – ein Wesen, das Wolf und Mann gleichzeitig ist.» Er schnaubte verächtlich und deutete auf sich und Rufus. «Wir sind immer entweder das eine oder das andere, niemals beides zur selben Zeit, abgesehen von den wenigen Minuten, die die Wandlung andauert. Wolfsmann – der Namen hört sich harmloser an als Werwolf, meint aber eine Kreatur, die viel grausamer und widernatürlicher ist, glaube mir, Tala.»
    Wie er ihren Namen aussprachᅠ... So selbstverständlich, so vertraut. «Der Jägerᅠ...», erinnerte sie ihn.
    «Er hüllte seinen nackten Körper in ein Wolfsfell und vollzog eine Zeremonie, damit der Geist des Wolfes auf ihn überging, um seine Instinkte für die Jagd zu nutzen und in den Wäldern unterzutauchen.» Claw stieß sich vom Schrank ab. «Er war erfolgreich und erjagte viele Tiere, doch er hatte den Wolf zu sehr in sich aufgenommen, sodass er sich unwiderruflich in ihm festgehakt hatte. Der Jäger wurde ihn nicht mehr los. Daraufhin erkrankte er schwer, ohne dass jemand die Ursache feststellen konnte. Den Grund kannte nur er selbst: Er kämpfte innerlich mit dem Tier, bis sie sich einigten. Erst nachdem Friede in ihm herrschte, wurde der Jäger wieder gesund, doch fortan zwang der Wolf ihn, regelmäßig die Wolfsgestalt anzunehmen, da sie sich einen Körper teilen mussten.»
    «Glaubst du dieser Theorie?», wollte Tala zögerlich wissen.
    Er kniff seine Augen zusammen. «Du bist doch die Indianerin von uns beiden.»
    «Ein Halbblut», stellte sie klar. «Und eine moderne junge Frau.»
    «Vielleicht ist es auch ein Virus, das früher ausschließlich Wölfe befiel, aber durch Umwelteinflüsse mutiert ist und mittlerweile auch Menschen befällt. Was weiß ichᅠ...» Er machte eine wegwerfende Geste. Wahrscheinlich hatte er schon unzählige Male über dieser Frage gegrübelt und war zu keinem Ergebnis gekommen.
    «Wieso kennst du nicht den Ursprung der Werwölfe?», fragte sie misstrauisch.
    «Kannst du mit Bestimmtheit sagen, wie die Menschheit entstanden ist?» Er legte den Kopf schräg. Seine Nase kräuselte sich. «Glaubst du, dass Adam und Eva die ersten Menschen waren, von Gott gesandt? Oder glaubst du eher an die Wissenschaft und die Evolution? Ich habe keine Ahnung, was die Athabascan sagen, aber der Mandan-Stamm, der am Missouri lebt, glaubt, dass der erste Mann ein kraftvoller Geist war und so etwas wie ein göttliches Wesen, das vom Herrn des Lebens, dem Schöpfer aller Dinge auf Erden, erschaffen wurde, um als Vermittler zwischen den gewöhnlichen Menschen und den zahlreichen Göttern und Geistern, die das Universum bevölkern, zu fungieren.»
    Tala schwieg. Alle diese Theorien hatten eine Bedeutung in ihrem Leben, sie war mit ihnen aufgewachsen, aber der feste Glaube an eine davon war ihr durch die Vielzahl der Eindrücke und Einflüsse abhanden gekommen. Claw hatte Recht. Was wagte sie an ihm zu zweifeln, wo sie doch selbst so wenig wusste? Kleinlaut sagte sie: «Die Maya glauben, dass ihre Götter den Menschen aus Mais, Lehm und Wasser erschaffen haben.»
    «Niemand weiß, wie alles begann. Es ist nicht wichtig. Werwölfe existieren, das ist eine Tatsache, und du wirst es nach meiner

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