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Alphawolf

Titel: Alphawolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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und ging dann zum Fenster, um hinauszuschauen.
    Tala blickte zum Ausgang. Sie konnte unbehelligt gehen, doch sie brachte es nicht übers Herz. «Es tut mir leid.» Erleichterung machte sich in ihr breit. Claw war kein Mörder.
    Er sagte nichts. Das versetzte ihr einen Stich. Sie war es gewohnt, von ihm bedroht und verführt zu werden, aber dass er sie nun ignorierte, tat ihr weh. Doch sie konnte ihn verstehen. Sie hatte ihn verletzt. Er und das Rudel waren nicht wie Dante. Der Wolfsmensch war eine Killerbestie, die ohne Reue und Moral über Leichen ging, die Werwölfe jedoch besaßen ein Gewissen.
    «Sag etwas, bitte.» Sie zog ihren Parka aus, um ihm zu demonstrieren, dass sie nicht eher gehen würde, bevor er ihre Entschuldigung akzeptiert hatte, und trat in gebührendem Abstand hinter ihn.
    Er betrachtete ihr Spiegelbild in der Fensterscheibe. «Wenn wir die Monster wären, für die du uns hältst, hätten wir dich bereits umgebracht, als wir dich das erste Mal zu Hause aufsuchten.»
    «Aber Lupus glaubt, ich habe eine Aufgabe im Kampf gegen Dante zu erfüllen.»
    «Vielleicht, vielleicht auch nicht. Der alte Knabe ist manchmal etwas zu abergläubisch.»
    Und das Schicksal einer Zielperson zu bestimmen lag sowieso nicht in Lupus’ Hand, sondern der Leitwolf traf die Entscheidungen. «Was war dein Beweggrund?»
    Abrupt wandte er sich um und schaute sie so intensiv an, dass ihr heiß wurde und sie ihren Blick über das Sideboard schweifen ließ. Dort lagen einige Flyer: gelbe Din-A-4-Seiten, die zweimal geknickt worden waren, um das Blatt zu dritteln und umzuschlagen. SURVIVALKURSE – ENTDECKEN SIE DEN ABENTEURER IN SICH, stand auf der Vorderseite. Tala nahm einen der Flyer und las die Kursangebote durch. Auf der hintersten Seite standen die Kursleiter aufgelistet: eine Frau und vier Männer, darunter Ashton Tracer.
    «Du gibst Überlebenstrainings in den Wäldern Alaskas?», fragte sie erstaunt. Das war also sein Beruf. Und deshalb die Seile und Haken, die in der Wohnung verteilt lagen und hingen. Der Job passte zu ihm, auch als Mensch gab er seiner naturverbundenen Seite nach. Er war nicht eingesperrt in einem Büro, sondern hielt sich viel in der Natur auf, führte die Kursteilnehmer an und war nicht unmittelbar einem Boss unterstellt. Allerdings wunderte sich Tala, dass er für eine Firma arbeitete, schließlich war er ein Alpha. Sich im Alltag jemanden unterzuordnen musste ihm schwerfallen.
    «Ich hätte eher erwartet, nun ja, dass du dein eigenes Ding durchziehst», sie lächelte verlegen, «Selbstständig bist.»
    Er kam zu ihr, nahm ihr den Flyer aus der Hand und legte ihn zurück zu den anderen. «Du bist zu neugierig», grollte er. «Werwölfe müssen unauffällig sein. Wäre ich ein Alleinunternehmer, würde mein Name vorne groß auf dem Handzettel draufstehen und sich herumsprechen. Das wäre nicht gut. Ich muss einer unter vielen sein. Darum arbeite ich für jemanden.»
    «Ich hätte dich eher in einer Hütte im Wald vermutet.» Es war Zeit für die Wahrheit. Nur wenn sie ehrlich und offen war, würde sie mehr aus ihm herauskitzeln können. «Oder mit dem Rudel in einer abgelegenen WG.»
    «Du liest zu viele paranormale Romane, die nichts mit der Realität gemein haben», warf er schmunzelnd ein.
    «Dieses Haus mit den vielen Mietparteien passt nicht zu dir.»
    Er fuhr sich durch die Haare, sichtlich amüsiert über ihre Vorstellungen. «Wie ich schon sagte: einer unter vielen. Ein Eremit in den Wäldern oder ein Haus abseits von Anchorage, in dem sich eine Gruppe abschottet, fällt früher oder später auf. Doch wenn man sich in der Gemeinde verteilt, in normalen Appartements wohnt, normalen Jobs nachgeht, wird man kaum wahrgenommen. Wir tauchen in der Anonymität der Stadt ab, hüllen uns in den Mantel der Normalität und leben versteckt zwischen den reinen Menschen.»
    Das konnte sie nachvollziehen. Es musste ihm schwerfallen, seine Stärke zu verstecken und seinem Chef gegenüber Rechenschaft abzulegen, wo er es doch gewohnt war, dass das Rudel sich ihm unterwarf, und er so viel kräftiger war als alle, die ihn reizten.
    Sie sah ihm in die Augen und hoffte, dass er das nicht als Herausforderung auffasste, sondern als eine Geste der Dankbarkeit, weil er Erklärungen abgab, die er eigentlich gar nicht abliefern wollte, und um ihm zu zeigen, dass sie ihre Schutzschilde herabsenkte. Man sagt, die Augen seien die Tore zu den Seelen der Menschen und Tala ließ Claw in sich hineinblicken und ihre

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