Alptraum in Atlantis
einen Moment verschleierte sich sein Blick, und er lehnte sich nach hinten, so dass ich Angst bekam, er würde in den Brunnen stürzen. Doch er fing sich schnell.
»Kara«, murmelte er und schaute mich dabei an. »Weißt du, wer Kara ist?«
Ein Verdacht kam mir, aber ich wollte von dem Weißhaarigen die Gewissheit bekommen. »Nein.«
»Kara ist meine Tochter!«
***
Der Verdacht hatte sich bestätigt. Neben mir saß tatsächlich Karas Vater, von dem sie so viel berichtet hatte. Sie war stolz auf ihn gewesen, und mir klangen noch ihre Worte im Ohr nach.
Sie erzählte, dass ihr der Vater das Schwert mit der goldenen Klinge vererbt hatte, bevor er endgültig starb. Das musste dicht vor dem Untergang dieses Reiches gewesen sein, und als ich einen Blick zum Himmel warf, rann mir eine Gänsehaut über den Rücken.
Es wurde langsam dunkel. In der Ferne, wo die Berge lagen, glühte der Himmel im blutigen Rot.
Delios hatte sich vornübergebeugt und sein Gesicht in den Händen vergraben. Für ihn musste es ebenfalls eine Überraschung gewesen sein, wie für mich, denn damit hatte er nicht gerechnet.
»Kara«, flüsterte er, »meine Tochter. Sie hat das Erbe angenommen, und sie wird es fortführen.«
»Das kann ich dir versprechen,«, erwiderte ich.
Er hob den Kopf und schaute mich an. »Du kennst sie, du kennst das Schwert, nicht wahr?«
»Ja.«
»Ist es das?« Mit einem Ruck schlug der alte Mann sein Gewand zur Seite, und da sah ich die Waffe mit der goldenen Klinge. »Ist sie das, John Sinclair? Ist es das Schwert, das zehntausend Jahre später meine Kara tragen wird, um dem Bösen zu trotzen?«
»Ja«, erwiderte ich rau, »es ist die Waffe, die du Kara gegeben und die der Seher dir überlassen hat.«
»Du kennst ihn?«
Ich nickte und berichtete, wie ich an meinen Bumerang gelangt war.
»Irgendwo schließt sich der Kreis immer«, murmelte Delios. »Da können auch zehntausend Jahre nichts mehr ändern. Glaube es mir, John Sinclair. So wird es immer sein.« Dann wechselte er das Thema, obwohl mich die Person des Sehers brennend interessiert hätte. »War Kara allein in deiner Zeit?«
»Zuerst nicht. Ich sagte ja, ein bärtiger Krieger namens Haro war bei ihr. Doch er ist im Kampf gestorben. Todesengel haben ihn getötet, die von der Teufelstochter ausgeschickt worden sind.«
»Wer ist das?«
Ich erzählte ihm von Asmodina, doch damit konnte er nichts anfangen.
Er dachte nur noch an seine Tochter. Verständlich. »Wo ist sie jetzt?« fragte ich ihn.
»Ausgeritten. Sie wollte noch die Sonne genießen, denn bald ist es vorbei, und eigentlich müsste sie schon zurück sein. Haro begleitet sie, er beschützt sie auch, aber du, mein Freund, wirst mit in mein Haus kommen und dort so lange als willkommener Gast bleiben, wie es dir gefällt.«
»Ich danke dir sehr für diese Einladung«, erwiderte ich, »aber ich kann deine Gastfreundschaft kaum in Anspruch nehmen.«
Delios zeigte sich verwundert. »Warum nicht, John? Du bist fremd hier. Du kennst niemanden…«
»Ich habe andere Aufgaben zu erfüllen«, erwiderte ich. »Ich möchte dich auf keinen Fall kränken…«
»Nein, nein, ich verstehe dich. Ein Mann muss immer seinen Weg gehen. Aber wenn ich fragen darf, um welche Aufgaben es sich handelt, würdest du mir eine Antwort gewähren?«
Puh, war das eine geschraubte Ausdrucksweise. Aber so redete man eben in dieser Zeit. »Ich möchte den Spiegel haben. Und zwar den ganzen. Mit einem Teil davon habe ich das Dämonenauge einmal zerstören können, das der Schwarze Tod Myxin abnahm.«
»Ich weiß«, lächelte Delios. »Der Schwarze Tod hat dies getan. Wir haben es mitbekommen. Seit dieser Zeit ist seine Macht noch gewachsen. Er will die Zerstörung, das reine Chaos, und nichts hält ihn auf seinem Wege auf.«
»Kennst du den Ort, wo sich der Spiegel befindet?« wollte ich wissen.
»Ja und nein. Irgendwo im Reich des Schwarzen Tods.« Er streckte den Arm aus und deutete dorthin, wo sich auch das Gebirge befand. »Dieses Land, so schön und fruchtbar es auch ist, besitzt jedoch in seinen Bergen den Hört der Dämonen. Und da kann man auch den Schwärzen Tod finden und somit den Spiegel.«
Was mir Delios da sagte, klang nicht gerade ermutigend für mich. Wenn der Schwarze Tod tatsächlich den Spiegel besaß, dann wusste er ihn auch zu schützen.
Ich wandte mich an Delios. »Weißt du genau, wann der Kontinent versinkt?«
»Nein, John Sinclair. Das kann heute sein, das kann erst morgen passieren oder auch
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