Alptraum in Atlantis
möglich war, weil der Eiserne Engel in einen Sinkflug fiel und in den Canyon hineinstieß.
Es war ein riesiges, gewaltiges Loch, dessen Ende ich nicht einmal erahnen konnte.
Aber es war unser Ziel.
»Der Todessumpf!« vernahm ich die Stimme des Eisernen Engels. »Hier werde ich dich absetzen. Hier…«
Im gleichen Augenblick hörten wir den Warnschrei eines Vogelmenschen. Zu spät. Die anderen waren schneller. Schatten lösten sich von den Canyonwänden. Schatten mit kleinen, glühenden Augen. Die Schwarzen Vampire…
***
Ein Stoß schien durch den Körper des Mädchens zu gehen, als es seinen Vater erkannte. Kara stellte sich auf die Zehenspitzen und presste die rechte Hand gegen den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken.
Ihr Vater würde, nicht mehr lange leben. Er lag bereits im Sterben, das konnte jeder erkennen.
Und sie sah das Blut, das aus seinen Wunden lief. Es rann aus der Brustwunde und hatte das Laken benetzt, auf dem Delios lag.
Einer war noch bei ihm.
Der alte Diener, ebenfalls dem Sterben nahe. Er hatte, den Überfall auch überstanden, aber in seinen Augen stand kein Glücksgefühl darüber zu lesen, sondern nur Trauer und Verzweiflung.
»Komm, Kara«, sagte er und streckte die Arme aus.
Das Mädchen nickte. Kara ließ sich von dem Diener führen und bis dicht vor die Liegestatt ihres Vaters bringen. Dort ging sie in die Knie und schaute das vom Tod gezeichnete Gesicht an.
»Vater«, flüsterte Kara. Sie hatte Mühe, die Tränen zu unterdrücken. Im Hintergrund stand Haro, der Krieger. Er wollte Tochter und Vater nicht stören.
»Dass du gekommen bist«, flüsterte der alte Mann. »Nach all dem Grauen und Sterben.«
»Wir hatten Glück, Vater. Der Eiserne Engel und ein blonder Mann haben uns gerettet.«
Plötzlich blitzte es in den Augen des Alten auf. »Du hast den Mann aus der Zukunft gesehen?«
»Ja, sogar mit ihm gesprochen.«
»Das ist gut, Kara. Das ist sehr gut. Dann hat er es überstanden. Er ist nicht von den Feinden getötet worden. Meine Gebete haben also doch etwas genutzt.« Delios schluckte, und seine Lippen zitterten stark.
»Du darfst jetzt nicht dran denken, Vater«, sagte Kara. »Du musst an dich denken und auch daran, wie es weitergeht.«
»Ich habe keine Zukunft mehr. Ich bin ein verlorener Mann, meine Tochter…«
»Aber Vater…«
Mit einem Ruck schlug Delios das Laken zurück. Die Bewegung war Antwort genug.
Kara erstarrte. Sie sah die schreckliche Wunde und wusste, dass ihr Vater recht hatte. Es war überhaupt ein Wunder, dass er noch lebte.
Aber so war Delios. Er gab nie auf, kämpfte gegen Dämonen und auch gegen den Tod an.
»Verzeih mir, Vater. Ich wusste nicht…«
»Schon gut, meine Tochter. Schon gut. Aber du hast gesehen, dass mir nicht mehr viel Zeit bleibt. Die wenigen Minuten bis zu meinem Ende wollen wir nutzen.«
»Ja, Vater.« Kara nickte.
Der Sterbende begann. »Du weißt, dass ich in diesem schönen Land ein Prophet war. Ich habe Voraussagungen gemacht, ich habe mich gegen eine Herrschaft der Dämonen gestemmt. Es hatte keinen Zweck. Die andere Seite war stärker. Ich verlor nicht nur deine Mutter, sondern musste auch mit ansehen, wie Atlantis immer mehr dem Untergang entgegentrieb. Mit meiner schwachen Magie kam ich gegen die des Schwarzen Tods nicht an. Er blieb der Sieger. Dieses Reich treibt immer mehr dem Untergang entgegen, und du merkst es jetzt selbst. In deiner Kindheit habe ich dich das nicht spüren lassen, du solltest frei und fröhlich aufwachsen, jetzt aber musst du der Wahrheit ins Auge sehen, und die ist eben schlimm genug. Du hast Haro kennen und lieben gelernt, er hat dich die Kunst des Kampfes gelehrt, du kannst mit einem Schwert ebenso umgehen wie mit einem Boden oder der Lanze. Du bist mehr als ein Ersatz für mich, weil es deiner Mutter nicht vergönnt gewesen war, mir einen Sohn zu gebären…«
»Vater, bitte sprich nicht so«, flüsterte das Mädchen, und umfasste die Hände des alten Mannes.
»Ich muss so anfangen, damit du das andere verstehst, meine liebe Kara. Denn ich habe dir ein Erbe hinterlassen. Ein Erbe, das eigentlich meinem Sohn gehören sollte, das ich nun aber in deine Hände lege, liebste Kara. Es ist nicht viel, aber es ist ungeheuer wertvoll, und du wirst nach meinem Tod noch oft an mich denken, wenn du das Schwert in die Hand nimmst.«
Kara zuckte zurück. »Du willst mir das goldene Schwert…?«
»Ja, wer sollte es sonst bekommen?«
»Aber das kann ich nicht annehmen. Ich bin nicht
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