Alptraum-Sommer
ideales Wetter, um mal richtig zu faulenzen.«
»Was Sie ja nicht können.«
»Nein, ich bereite mich auf das Sommergeschäft vor.«
»Ach ja, Sommer«, sagte Suko und schaute sich dabei um. »Ist das hier um diese Jahreszeit immer so heiß und schwül?«
Der Verkäufer wischte Schweißperlen von seiner Stirn. Das Gesicht verzog sich, er blickte zum anderen Ufer hin und meinte: »Vergleichen Sie Irland nicht mit England. Wir haben hier ein anderes Klima.«
»Aber so heiß. Das ist schon ein Alptraum.«
»Kann ich Ihnen auch nicht sagen. Es gibt halt diese Sommer, wo alles sehr früh beginnt. Dafür beginnt er im nächsten Jahr wieder später – oder auch nicht.«
»Was sagen denn die übrigen Bewohner dazu?« fragte ich.
Der Bärtige holte ein Tuch aus der Tasche und wischte von einer Standtafel die Angebote des letzten Tages ab. »Nichts. Was sollen sie auch sagen? Man muß es einfach nehmen, wie es kommt. Ist doch so – oder?«
»Im Prinzip schon.«
»Seien Sie froh, daß die Sonne scheint. Genießen Sie Ihren Urlaub, alles andere ist doch zweitrangig.«
»Was meinen Sie damit?« fragte Suko.
»Habe ich etwas gesagt?«
»Nein, nein, schon gut.«
Das Mißtrauen war in ihm entfacht. »Warum stellen Sie eigentlich so komische Fragen? Was haben Sie vor?«
Suko und ich schauten einander an, hoben die Schultern und taten ahnungslos. »Wie meinen Sie das, Mister?« wollte ich wissen. »Sind die Fragen so komisch?«
»Ja.«
»Können Sie das erklären?«
Er strich durch seinen Bart und schaute uns scharf an. »Nein, das werde ich nicht erklären, aber wir hier in Berris mögen es nicht, wenn uns Fremde aushorchen wollen. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
»Ist das denn schon passiert?«
Er nickte mir zu. »Nicht nur einmal.«
»Und weiter?«
»Ich habe zu tun!« sagte er und wandte uns demonstrativ den Rücken zu.
Da konnte man nichts machen.
Wir gingen weiter und hatten einen ersten Eindruck von dem mitbekommen, was uns erwartete. Ich drehte mich noch einmal und sah das Fenster an der Schmalseite der Hütte. Da es im Schatten lag, sah ich hinter der Scheibe den Umriß des Mannes in einer bestimmten Position. So stand nur jemand da, der einen Telefonhörer ans Ohr drückte.
»Er telefoniert schon«, sagte ich zu Suko.
»Ist nicht verwunderlich. Ich nehme an, daß er einige Personen warnen wird. Wir scheinen nicht die ersten gewesen zu sein, die ihm solche Fragen gestellt haben. Und jetzt sind die anderen drei Frager verschwunden.«
»Daraus folgt«, sagte ich, »daß man für uns dasselbe Schicksal vorgesehen hat.«
»Ist anzunehmen.«
Es gab keine direkten Wege oder Pfade, die vom Kai her in den Ort hineinführten. Alles war hier noch so wie vor hundert Jahren.
Möglicherweise war das Pflaster erneuert worden, ansonsten beherrschte hier die Vergangenheit die Gegenwart.
Der Kai und ein schmaler Platz gingen ineinander über. Die ersten Häuser standen im grellen Licht der Sonne. Dahinter führte die Straße her, auf der nur hin und wieder ein Wagen fuhr.
Jenseits der Straße wohnten die Menschen. Es war relativ flach hier, nur hier und da lockerte ein Hügel die Landschaft auf. Wer hier gebaut hatte, hatte meist noch ein großes Grundstück. Die meisten Parzellen waren von Hecken oder Steinmauern umgeben, so daß von den Häusern nur die Dächer zu sehen waren.
Es gab auch so etwas wie ein Zentrum. Es befand sich nahe der einzigen richtigen Straße. Dort hatte man neuere Häuser gebaut, denn man wollte den Touristen etwas bieten. Auch ein Ort wie Berris kam nicht ohne Geschäfte aus.
Wir dachten noch immer an unser Frühstück. Eigentlich suchte ich ein Café, das aber gab es nicht. Dafür eine Bäckerei, die schon geöffnet hatte.
Suko schnupperte, als er den Duft frischer Brötchen roch. »Ist das nicht was für uns?«
»Okay, gehen wir hin.«
Ein junges Mädchen war dabei, frische Brote in die Auslage zu legen.
Eine andere Frau, doppelt so alt, putzte den Laden. Sie war fertig und verschwand mit ihren Utensilien im Hintergrund.
Die altbackene Einrichtung fiel uns auf. So etwas gab es in London nicht zu sehen. Wuchtiges Holz, dickes Glas, eine stabile Theke und einen Durchgang zur Bäckerei, der nur durch einen Vorhang vom Geschäft getrennt war.
Das Mädchen fragte nach unseren Wünschen. Es war blond und hatte ein Puppengesicht. Der breite Mund verzog sich zu einem Lächeln.
»Können wir hier ein Frühstück bekommen?« fragte ich.
»Ja.«
»Dann hätten wir gern
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