Alptraum-Sommer
tief zu fallen.«
»Kann sein.«
»Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Ich wußte, daß um mich herum einiges geschah, aber es war mir nicht möglich, dies nachzuvollziehen. Du begreifst, was ich damit sagen will?«
»In etwa schon.«
»Da dir das nicht passiert ist, könntest du mir berichten, was sich abgespielt hat.«
Ich schaute zum gegenüberliegenden Ufer und murmelte: »Mandragoro hat uns besucht.«
Suko erwiderte nichts. Falls er überrascht war, hatte er es gut verstanden, seine Überraschung zu verbergen. Da Suko schwieg, berichtete ich weiter.
»Er hat uns gewarnt!«
»Das kann ich mir denken. Wildern wir in seinem Revier?«
»Alles deutet darauf hin.«
»Er hat natürlich Pläne.«
»Sicher.«
»Dabei störten ihn drei Männer, die nun tot oder verschwunden sind, nehme ich an.«
»Stimmt auch.«
Suko räusperte sich. »Hat Mandragoro die Männer getötet? Gab er das dir gegenüber zu?«
»Nicht direkt. Er blieb dabei, daß die Männer verschwunden sind. Wie sie ums Leben kamen, hat er mir nicht gesagt.«
»Was ist dein Fazit?«
»Wir können diesmal davon ausgehen, daß Mandragoro nicht auf unserer Seite steht. Es muß ihm auch gelungen sein, den Bewohnern von Berris ein anderes Bewußtsein einzupflanzen. Sie stehen auf seiner Seite und werden uns als Fremde wohl kaum akzeptieren.«
»Das habe ich befürchtet«, flüsterte Suko und fügte sofort eine Frage hinzu. »Wie sehen deine Pläne aus, John? Hast du welche? Gibt es sie? Bist du sicher, daß…?«
»Nein, ich habe keine konkreten. Für uns ist es wichtig, den Tag abzuwarten.«
Mein Freund nickte etwas gedankenverloren. »Und wie hast du ihn gesehen?« fragte er. »In welch einer Gestalt ist er dir entgegengekommen?«
»Es war schwer, ihn zu erkennen.«
»Du weichst mir aus, John.«
»Nicht bewußt, aber wenn ich dir eine Antwort gebe, basiert sie mehr auf einer Vermutung.«
»Das ist besser als nichts.«
Ich schaute wieder über das Wasser und stellte mir noch einmal die Nebelwolken darauf vor. Ebenfalls den Schatten, der sich im Zentrum des Nebels bewegte. »Er hat durch den Dunst keine konkrete Gestalt bekommen, Suko. Ich konnte nur mehr raten, und ich hatte dabei den Eindruck, daß sich Mandragoro als Geschöpf einer mutierten Fauna zeigte.«
»Keine pflanzliche Gestalt?«
»Ja. Er war…«, ich räusperte mich. »Er trat mir als eine Riesenspinne entgegen.«
Mein Freund schwieg. Für ihn war das neu, für mich war es ebenfalls nicht normal, denn bisher hatte ich Mandragoro immer als Geschöpf der Flora angesehen. Wenn er sich nun als Monstrum zeigte, mußte das auch einen Grund haben. »Nachdenklich?«
»Sicher, John. Hat er sich geändert?«
»Ich kann es dir nicht sagen.«
»Wobei ich über eine zweite Möglichkeit nachdenke«, erklärte mein Freund. »Es kann doch sein, daß die Spinne, die einmal normal war, allein durch die mächtigen Kräfte unseres Freundes mutiert und deshalb auch so gewachsen ist.«
»Kann durchaus sein.«
»Ist das nicht wunderbar?«
Ich schüttelte verständnislos den Kopf. »Wie kannst du nur so reden?«
»Wir brauchen nur eine Riesenspinne zu finden und sie zu vernichten, John. Mehr nicht. Arachnophobia diesmal nicht als Film, sondern in der Realität.«
»Du hast eine wunderbare Art, alles zu vereinfachen, das muß ich dir sagen.«
»So reagiere ich nur, wenn ich nicht weiter weiß.«
»Ich sehe auch keine Möglichkeit.«
Er schlug mir auf die Schulter. »Es wird uns wohl nichts anderes übrigbleiben, als den Tag abzuwarten und dann mit gewissen Leuten im Ort zu sprechen.«
»Da wirst du gegen eine Wand laufen.«
»Man kann Lücken hineinschlagen.«
»Optimist.«
»Immer.«
»Aber du warst nicht von einem Spinnenfaden gefangen. Je länger ich darüber nachdenke, um so mehr sehe ich unsere Chancen sinken.«
»Das mußt du mir genauer erzählen.«
Ich tat es, und Sukos Optimismus sank dem Nullpunkt entgegen.
Dennoch beschlossen wir, uns hinzulegen, um wenigstens noch eine Mütze voll Schlaf zu bekommen. Wir gingen beide davon aus, daß in dieser Nacht nichts mehr passieren würde…
***
Der neue Tag weckte uns mit einer brütenden Hitze. Schon sehr früh schickte die Sonne ihre Strahlen aus dem wolkenlosen Himmel, und da wurde es in unserer Kabine rasch stickig. Die Kleidung klebte am Körper fest, nicht einmal durch das offene Fenster wehte ein kühler Luftzug.
Das war wie im Dschungel.
Suko hockte auf der Kante seiner Koje und hatte sein Kinn auf eine Handfläche
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