Alptraum-Sommer
lagen hauchdünne Schleier wie Gespenster des Tages.
Sie ließen das Dorf hinter sich.
Es existierte ein schmaler Weg, der dem Flußlauf parallel folgte und ideal für Wanderer und Radfahrer war. Hier konnte man noch gut Urlaub machen, vorausgesetzt, man liebte die Natur, der Suko in diesen Minuten skeptisch gegenüberstand, wenn er sich das Unterholz und die Bäume genauer anschaute.
Es wuchs alles zu hoch, auch zu üppig. Diese Vegetation paßte in die Tropen, aber nicht zu Irland. Das war einfach zu extrem.
Hier hatte eine andere Kraft manipuliert, und das traute Suko einem Wesen wie Mandragoro ohne weiteres zu.
Hin und wieder wuchsen die Zweige über dem Weg zusammen. Dann verschwand er trotz des hellen Sonnenlichts stets in einem dämmrigen, feuchten, grünen Tunnel, der aus dem laufenden Jungen eine schattenhafte Gestalt machte.
Auf einmal war er weg, war dort verschwunden, wo einer dieser kurzen Tunnel endete.
Suko lief langsamer weiter. Er hatte nicht gesehen, an welcher Seite der Junge in das Unterholz eingetaucht war, aber er mußte sich einfach für eine entscheiden.
Es war still, bis auf das Summen der zahlreichen Insekten. Deshalb hörte er auch die schleifenden und knackenden Geräusche von der linken Seite her.
Da war Kelly verschwunden.
Suko entdeckte so etwas wie einen schmalen Pfad. Auch zu erkennen, weil einige Zweige abgerissen waren und das Gras zertreten war.
Dieser Weg führte zum Fluß.
Geduckt schlich der Inspektor hinter Kelly her. Er hielt seinen Blick nach vorn gerichtet, konnte aber nicht viel sehen. Die vor ihm liegende Umgebung erinnerte ihn an eine grüngraue Decke, in die an zahlreichen Stellen Löcher geschnitten worden waren, damit helleres Licht hindurchfallen konnte.
Es schimmerte, es spiegelte und zuckte. Vor allen Dingen dann, wenn die Sonnenstrahlen gegen die Wellen hüpften, so daß sie gewisse Reflexionen in die Ufergegend streuen konnten.
Plötzlich hörte er Kellys Stimme. Was der Junge sagte, verstand er nicht.
Er sprach mit sich selbst. Dem Klang nach zu urteilen, mußte er ziemlich fröhlich sein. Sorgen belasteten ihn nicht. Wahrscheinlich dachte er an seine Prinzessin, die er bald treffen würde.
Suko tauchte unter.
Er bewegte sich wie ein Apache auf dem Kriegspfad weiter, rutschte über den Boden. Pflanzen und Blätter streiften dabei an seiner Haut entlang.
Als sich der Wald lichtete und das Unterholz direkt vor ihm lag, kroch er an einem Brombeerstrauch vorbei, hinter dem das fett wirkende Gras nicht so hoch wuchs, so daß ihm ein guter Blick auf den Fluß gestattet war und auf den hangen.
Kelly stand am Ufer. Es sah aus, als wäre er sich noch nicht schlüssig, was er in den folgenden Minuten unternehmen sollte, denn er schaute über den Fluß hinweg zum anderen Ufer, wo sich der urwaldähnliche Wald im leichten Wind bewegte und aussah wie ein grünes breites Tuch, das zitternd auf der Stelle geschwenkt wurde.
Kelly bückte sich.
Er ging auch vor.
Die platschenden Geräusche deuteten Suko an, daß er sich bereits durch das Wasser bewegte. Es ging etwas bergab, seine Gestalt wurde kleiner. Dabei schienen die Schilfrohre und das Gras noch höher zu wachsen. Schließlich war Kelly ganz verschwunden, aber nur, weil er sich gebückt hatte.
Suko wußte nicht, was der Junge da vorhatte. Bewegungslos jedenfalls stand er nicht. Sein Rücken schob sich hin und her. Er mußte sich mit irgendeinem Gegenstand beschäftigen, der auf dem nahen Uferwasser schwamm. Suko ging davon aus, daß es ein alter Kahn war.
Und richtig.
Als Kelly wieder hochkam, schob sich vor ihm etwas Langes durch den Schilfgürtel und bog die Zweige zur Seite. Sie zeigten sich widerspenstig wie lange Arme, die es nicht zulassen wollten, daß jemand ihren Wuchs durchbrach.
Wenig später bewegte sich Kelly hektisch. Wasser spritzte hoch. Die Tropfen glitzerten wie kostbare Perlen, bevor sie wieder in den Fluß zurückfielen.
Ein Sprung, und der Junge hatte den Kahn geentert. Er griff nach den Rudern, stocherte damit im nahen Uferschlick herum und sorgte für eine Vorwärtsbewegung.
Es dauerte nicht lange, bis er den Schilfbereich hinter sich gelassen hatte und auf die Flußmitte zuruderte. An den Bewegungen erkannte Suko, daß Kelly nicht zum erstenmal ruderte. Sie waren glatt und geschmeidig, beim Eintauchen der Blätter spritzte es kaum.
Suko drückte sich vorsichtig hoch – und zuckte sofort wieder zurück in Deckung, weil Kelly sich im Boot umgedreht hatte und zum Ufer
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