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Alptraum-Sommer

Alptraum-Sommer

Titel: Alptraum-Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Schnitzers. Schleif-, Dreh- und Hobelbänke sah ich ebenso wie Schnitzmesser unterschiedlichster Größe und Aussehens.
    Sie alle waren sehr scharf, erinnerten mich manchmal mehr an chirurgische Bestecke. Um sie richtig zu führen und einzusetzen, brauchte man wirklich Talent.
    Das interessierte mich nur am Rande. Wichtig für mich war eigentlich das Material.
    Holz – Wurzelholz. Es lagerte an einem offenen Kamin. Klumpig und starr sah es aus. Die älteren Stücke hatten eine bleiche Farbe angenommen, sie erinnerten mich an Gebeine. Das frischere Holz besaß auch ein frischeres Aussehen. Durch seine Adern zog sich mehr Farbe.
    Er schimmerte an manchen Stellen beige oder rosa. Eines hatten sie jedoch gemeinsam. Das knorrige Aussehen im Zentrum. Nur an den Rändern, wo einige ›Arme‹ abstanden, wirkte es filigraner.
    Eine Seite der Werkstatt bestand aus einem Regal. Die Bretter waren in unterschiedlicher Höhe zueinander eingebaut worden. Sie konnten die schon fertigen Arbeiten aufnehmen.
    Sie glichen sich.
    Kleine Männchen, Alraunen, Wurzelzwerge der unterschiedlichsten Größe. Manche glatt, andere wieder mit Gesichtern. Ich glaubte auch, Nasen, Ohren und Augen erkennen zu können, wenn auch meist nur angedeutet.
    Nicht weit von mir entfernt hatte der Mann kleine Fässer aufgebaut. Sie alle waren durch Deckel gesichert, so daß ich keinen Blick mehr hineinwerfen konnte.
    Das Sonnenlicht tupfte gegen die Fensterscheibe, drang auch hindurch.
    Ich sah es als sehr bleich, klar und scharf an, aber zur Mitte des Raumes hin verlor es sich. Da überwogen die Schatten, eigentlich wurden nur die Arbeitsplätze richtig beleuchtet. Elektrisches Licht war natürlich auch vorhanden. Lampen verteilten sich zwischen den Deckenbalken, die wie dicke Arme aussahen. Die Strahler hatte O’Hara nicht eingeschaltet, er sah auch nicht so aus, als wollte er mit seiner Arbeit fortfahren. Der Mann machte mehr den Eindruck, als befände er sich auf dem unmittelbaren Sprung.
    Dennoch versäumte er es nicht, mir einen Drink anzubieten, den ich aber ablehnte.
    »Keinen Selbstgebrannten Holunderschnaps?«
    »Nein, danke.«
    »Schade.«
    »Nehmen Sie einen.«
    »Ich kenne ihn ja. Allein trinke ich sowieso wenig. Ich brauche immer einen Grund.« Er setzte sich mir schräg gegenüber auf einen Schemel, und sein Gesicht blieb teilweise im Schatten. Durch den weißen Bart sah es aus, als wäre es mit einem verrutschten Heiligenschein verziert worden, der von der Stirn her seinen Weg zum Kinn gefunden hatte. Mir fiel auf, daß er mich sehr genau beobachtete und versuchte, in meinem Gesicht zu ›lesen‹.
    Er konnte mich nicht einordnen, ich ihn ebenfalls nicht, aber beide würden wir auf der Hut sein. Wahrscheinlich hielt er mich für eine Person, die etwas mit denen zu tun hatte, die verschwunden waren, und ich ließ ihn zunächst in diesem Glauben. Lächelnd schaute ich mich um, bevor ich anerkennend nickte. »Eine sehr interessante Werkstatt haben Sie hier, Mr. O’Hara.«
    »Ich schnitze.«
    »Was?«
    »Eigentlich alles, was meine Kunden wünschen. Im Moment arbeite ich vor. Der richtige Sommer beginnt erst, obwohl dieses Wetter meine Worte Lügen straft. Es ist unnatürlich, diese Temperaturen sind ein Alptraum. Hin und wieder kommt es vor, und wir hier in Berris finden uns damit ab. Es wird auch nicht mehr lange andauern, denke ich. Die Temperaturen normalisieren sich schnell.«
    »Aber Sie beschäftigen sich zumeist mit Wurzelholz, wie ich sehe, Mr. O’Hara.«
    Er folgte meinem Blick und schaute auf sein Lager. »Ja, das stimmt. Es sind eben die Besonderheiten meiner Arbeit.«
    »Woher bekommen Sie es?«
    O’Hara lächelte. »Die Frage ist gut. Ich will Sie Ihnen beantworten. Ich muß in den Wald, um mir den nötigen Nachschub zu holen. Das Gelände jenseits des Flusses.«
    »Ist das nicht mühselig?«
    »Ich kann rudern.«
    Wir wußten beide, daß wir um den heißen Brei herumredeten. Mir war auch klar, daß der Mann darauf wartete, daß ich mich zu erkennen gab und ihm den Grund nannte, weshalb ich gekommen war.
    Der Blutgeruch blieb. Ich ließ meine Blicke wandern und suchte nach der Ursache. Etwas mußte es geben, das diesen Gestank absonderte, doch ich sah nichts. Entdeckte keine Quelle und traute mich auch nicht, den Mann direkt danach zu fragen.
    Statt dessen kam ich auf seinen Enkel zu sprechen, lobte ihn als intelligenten und aufgeweckten Jungen, was mir der Großvater durch sein Nicken bestätigte.
    »Ja, das ist er.« In die

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