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Alptraum-Sommer

Alptraum-Sommer

Titel: Alptraum-Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Augen des Mannes trat ein Leuchten. »Wir sind stolz auf ihn.«
    »Wer ist wir?«
    »Seine Eltern und ich.«
    »Die aber nicht hier sind.«
    »Nein, sie sind unterwegs. Mein Sohn ist Ingenieur, ein Spezialist, was Atomkraftwerke angeht. Ein Nuklearexperte, man braucht ihn im Osten.«
    »Das kann ich mir denken.«
    »Deshalb sind er und seine Frau nur selten hier. Meine Schwiegertochter reist immer mit.«
    »Und Kelly bleibt bei Ihnen.«
    »So ist es. Zudem macht es ihm nichts aus, da wir uns prächtig verstehen.«
    »Das hat man gesehen, obwohl ich nur kurz mit ihm gesprochen habe. Nun ja«, ich holte Luft, »es ist wirklich außergewöhnlich, denn als ich nach seinem Alter fragte, da gab er mir eine Antwort, die auf eine sehr große Phantasie seinerseits schließen ließ.«
    »Ach ja?«
    Mehr sagte O’Hara nicht. Mir kam er vor, als wollte er zunächst einmal abwarten.
    »Stellen Sie sich vor, er bezeichnete sich selbst älter als hundert Jahre.«
    »Oh. Sie haben sich nicht verhört?«
    »Bestimmt nicht.«
    »Das ist seltsam.«
    »Inwiefern?«
    O’Hara hob seine Hände und ließ sie wieder fallen. Die Flächen klatschten auf die Schenkel. »Normalerweise sagt er einem Fremden nicht so ohne weiteres die Wahrheit.«
    Zack, das hatte gesessen. Nie und nimmer hätte ich mit einem derartigen Geständnis gerechnet. Mir blieb die Spucke weg, und ich spürte, wie sich Schweiß auf meiner Stirn bildete.
    »Überrascht, Mr. Sinclair?«
    »In der Tat.«
    »Das ist eben so. Sie dürfen es ruhig als einen großen Vertrauensvorschuß hinnehmen. Kelly würde nicht jedem sein wahres Alter verraten, das können Sie mir glauben.«
    »Das nehme ich auch an. Aber bleiben wir beim Thema. Sie sind also auch der Meinung, daß er so alt ist?«
    »Möglich.«
    Ich schluckte meinen anfliegenden Ärger herunter. O’Hara stand auf, er kam nicht mehr auf dieses Thema zurück, sondern ging zu seinem Regal und entnahm ihm eine Alraune. Behutsam faßte er sie an, als wäre sie ein Lebewesen. Dann hielt er sie ins Licht. »Wissen Sie, was ich hier in der Hand halte, Mr. Sinclair?«
    »Eine Alraune.«
    »Gut. Was sagt Ihnen das?«
    Ich hatte beschlossen, mit meinem Wissen nicht hinter dem Berg zu halten. Er sollte ruhig erfahren, daß ich auf diesem Gebiet kein Laie war.
    »Man nennt sie auch Mandragora. Sie ist der puppenbalgähnliche Wurzelstock. Im klassischen Altertum wurde die Alraune als Zaubermittel gehandelt.«
    »Exakt, sehr gut.« Er lobte mich. »Aber nicht nur im klassischen Altertum. Man glaubt noch immer an die Kraft der Alraune. Und ich muß sagen, zu Recht, Mr. Sinclair.«
    »Ach ja…«
    Er drehte die Puppe in den Händen. Der Mann hatte ihr durch seine Arbeit einen menschlichen Körper gegeben und betrachtete diesen mit stolzen Blicken. »Sie bekamen auch andere Namen und wurden bei vielen Menschen als Hausgötter angesehen, Mr. Sinclair. Erdmännchen, Galgenmännchen und so weiter. Viele von ihnen waren sehr prächtig gekleidet. Man hütete sie in geheimen Kästchen, badete sie in Wasser oder Weingeist und war ihnen sehr zugetan.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, gab ich zu. »Sie, Mr. O’Hara, reden, als würden sie daran glauben.«
    »Tue ich das?«
    »In der Tat.«
    Er blieb vor dem Regal stehen und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. »Dann wird es wohl stimmen. Ich glaube nicht nur daran, ich weiß auch, daß all die Dinge, die über die Alraunen gesagt worden sind, stimmen. Man muß nur den richtigen Weg finden, um sie aus ihrem Schlaf zu wecken. Dann ist das Wurzelholz längst keine tote Materie mehr. Dann offenbart es sich und beweist, welche Kräfte in ihm stecken.«
    »Sind sie heute nicht wertlos?« fragte ich etwas provozierend und hatte Glück damit.
    Zischend stieß der Mann seinen Atem aus. »Wertlos, sagen Sie? Wie können Sie das nur behaupten? Nein, sie sind nicht wertlos. Das haben sie schon bewiesen.«
    »Bei wem?«
    »Es spielt keine Rolle.«
    Ich hatte einen bestimmten Verdacht und scheute mich auch nicht, ihn auszusprechen. »Kann es sein, daß es mit den drei verschwundenen Männern zu tun hat?«
    O’Hara sagte nichts. Zunächst nichts. Er ließ beide Hände sinken, schaute an mir vorbei und auf das Fenster. Die Sonne schien gegen es, und so wirkte es wie ein gleißender Spiegel. »Sie fragen sehr direkt, Mr. Sinclair.«
    »Das bin ich gewohnt.«
    »Gehören Sie auch zu den dreien?«
    »Ich möchte es Ihrer Phantasie überlassen.«
    »Das kann ich nicht glauben. Auf eine derartige Stufe stellen Sie

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