Alptraumland
Florida kann nicht fürchterlicher sein.
Das Deprimierende der Situation und die Niedrigkeit der Zustände bedrückte mich um so mehr, als die Feindseligkeit und Sturheit der keltisch-gälischen Urbevölkerung sich stellenweise sogar zu der Weigerung verstieg, mit mir das Englische zu sprechen, und sie sich statt dessen nicht selten auf ihre gutturalen Urlaute beschränkte. Sie existiert, ist mein Eindruck, noch heute in der dumpfen Primitivität und Roheit ihrer wie Indianer bemalten Ahnen, die einst die römischen Legionen antrafen, und aus wohldurchdachten, vernünftigen Beweggründen, wie ich jetzt erkenne, waren damals die vergleichsweise hochkultivierten Römer so gescheit, zu diesen allen höheren Lehren abgeneigten Barbaren eine unüberwindliche Grenze zu ziehen, den in Teilen bis dato zu besichtigenden Hadrianswall.
Allein der unausdenklichen Armut und der deswegen allgegenwärtigen Habgier dieser Geschöpfe ist es zu danken, daß ich immer wieder jemanden mit verhältnismäßig geringen Geldbeträgen dazu bewegen konnte, mir trotz aller Animosität die für mein Vorankommen unentbehrlichen Dienste zu leisten. Ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich konstatiere, daß ich den letzten Abschnitt der Reise, das Traversieren dieser unwirtlichen Hügellandschaft, in einer kälteren Jahreszeit gewiß nicht überlebt hätte. Nur gut, daß meine Tanten von den Verhältnissen Schottlands nichts ahnen – sie würden in Hysterie verfallen bei dem Gedanken, daß ich nicht einmal einen Mantel dabei habe.
Doch genug von derlei Banalitäten. Über Ashton Manor als Bauwerk werde ich Dir zu einem späteren Zeitpunkt schreiben, das Haus ist eine architektonische Abirrung ohnegleichen, deren Baumeister von allem je Angestrebten nichts zu verwirklichen verstanden oder dazu eigentlich der Mittel ermangelten. Nie zuvor habe ich ein dermaßen grausiges und schäbiges Scheitern des menschlichen Geistes in steinerner Gestalt manifestiert erblickt. Am erschreckendsten jedoch war mein Wiedersehen mit unserem Freund Roderick Ashton. Er hat gehörig an Körpergewicht verloren, eine Reduzierung überflüssigen Fettgewebes erlebt, die ihm im Grunde genommen nur bekömmlich sein könnte, ließe sich bei ihm nicht gleichzeitig eine fortgeschrittene seelische Zermürbung feststellen. Äußerlich wahrt er eine Fassade reger Geschäftigkeit und optimistischer Umtriebigkeit, zu der ihm die durch ihn auf Ashton Manor veranlaßten Umbauten, Restaurierungs- und Renovierungsarbeiten den Vorwand liefern. In Wahrheit jedoch agiert er in einer Raserei mühevoll kaschierter, innerer Anspannung, die sich an unstetem Umherhuschen seines Blicks, Gesichtszuckungen, unvermitteltem Aufbrausen und allgemeiner Zerfahrenheit beobachten läßt. Bei seiner Gewichtsverminderung handelt es sich in der Tat um die Auszehrung eines Gehetzten.
Trotzdem bin ich von ihm freundlich, ja überschwenglich empfangen worden. Anscheinend bereitete meine Ankunft ihm, obschon seine Aufmerksamkeit bald wieder zu den Angelegenheiten abschweifte, die ihn insgeheim quälen, wirklich einige Erleichterung. Angesichts meiner Abneigung gegen Kälte hat er veranlaßt, daß unverzüglich die Kachelöfen des Gebäudes beheizt wurden, so daß mittlerweile in den meistbenutzten Räumlichkeiten einigermaßen wohlige Wärme herrscht. Aber inzwischen hege ich ernste Bedenken, ob ich seinen Hoffnungen gerecht werden und ihm in seiner offenbar mißlichen Lage behilflich sein kann. Seine Freude über meinen Besuch ist nämlich im Laufe des Abends rasch abgeklungen, und mich beschlich das Gefühl, das er seine mir übermittelte Einladung bereute. Zudem gibt er sich so, als hätte er in seinem Telegramm den Fall Barlow nie genannt. Als Hauspersonal hat er sich drei junge Leute, zwei Schwestern und ihren Bruder, aus der Umgebung angeworben, die sich bei aller Einfachheit durch Aufgeschlossenheit, Unvoreingenommenheit, Fleiß und Frohsinn vom beispielloser Trunksucht ergebenen Rest der Bevölkerung wohltuend abheben, eine wahrhaft glückliche Fügung. Ferner hat er für sein Automobil einen Fahrer eingestellt, der bei mir den Eindruck großer Tüchtigkeit hinterließ. Ich kann mir gar nicht ausmalen, was Ashton ohne diese Unterstützung bisher angefangen hätte. Bei der Personalbeschaffung hatte er, wie er erzählte, erhebliche Schwierigkeiten. Angesichts der Reputation, die seine Vorfahren genießen, nimmt das mich nicht Wunder.
Seiner Darstellung zufolge hat er mehreren gegen ihn gerichteten
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