Alptraumland
Empfinden, auf einer Wolke dahinzutreiben. Dann sah ich mich selbst: Ich lag mit schweißverklebtem Haar auf dem Kissen. Ich sah mich wie aus einer höheren Sphäre. Es schien, als ob ich über meinem eigenen Körper schwebte. Dann vernahm ich einen kehligen Laut. Plötzlich hatte ich den Eindruck, gleichzeitig nach allen Seiten zu sehen. Das Schlafzimmer wurde zu einem von Nebel verhangenen Raum, an der Decke hingen in grotesken Verrenkungen riesige Gestalten. Sie sahen aus wie Fledermäuse, aber sie waren menschengroß. Als sie die weiten, schwarzen Mäntel ausbreiteten, erkannte ich, daß sie menschliche Gesichter hatten. Leere Augenhöhlen glotzten mich an. Die Visagen der Geschöpfe zeigten ein höhnisches Grinsen.
So schnell, wie er erschienen war, verschwand dieser scheußliche Anblick. Als ich auf mein Gesicht hinabschaute, sah ich dicke Tropfen auf meiner Stirn. Ich murmelte im Schlaf, doch meine die Worte klangen sinnlos. Das gegenüberliegende Fenster öffnete sich. Ein Windstoß trieb meine körperlose Existenz hinaus. Raben krächzten. Der nahe Tannenwald schien von teuflischem Leben überzuquellen.
Weiter und weiter trieb mein Ich. Es durchdrang das Geäst höherer Bäume und sank bis fast auf den fauligen Erdboden hinab. Gespenstische Gestalten offenbarten sich meinen Blicken. Ich sah ein Rudel gehörnter Teufel, die auf einer Lichtung mit Krallenfingern auf mich deuteten. In der Finsternis stieß ich auf ein Gemäuer. In seinem Innenhof brannte ein hohes Feuer. Scharen winziger Fledermäuse stoben quietschend in die Flammen hinein und stürzten sich in den Tod. Auf den bröckelnden Zinnen der Burgmauern erblickte ich spindeldürre, vermummte Gestalten mit langen Stäben in der Hand. Sie schienen stumm und blind zu sein. Niemand zollte mir Beachtung, niemand rief in meine Richtung. Ich schwebte auf die Erscheinungen zu. Etwas drängte mich, hinter ihre Vermummung, in ihre Augen zu blicken. Sie wichen mir nicht aus, aber als ich unter die modrigen Kapuzen schaute, die sie verhüllten, stellte ich fest, daß sie keine Gesichter hatten.
Da erwachte ich mit einem Aufächzen. Ich lag mit zitternden Gliedern unter der Decke. Das Fenster war geschlossen. Ich empfand entsetzlichen Durst. Unsicher erhob ich mich von dem verschwitzten Nachtlager, tastete mich die Treppe hinunter zur Küche und trank in langen Zügen den Rest des vom Tag übrigen kalten Tees. Der Mond stand am Himmel und erleuchtete die Umgebung mit silbernem Licht. Draußen zirpten Grillen. Es gab nichts, über das ich hätte beunruhigt sein müssen. Und dennoch … Ich setzte mich hin und dachte nach. Das Leben war nicht zimperlich mit mir umgesprungen. Ich hatte, die letzten Jahre abgerechnet, gut und gerne dreißig Jahre auf der Schattenseite zugebracht. Bevor ich meinen Freund Howard bei seinem Freund Howard kennengelernt und er mir beigebracht hatte, wie man es anstellen mußte, um als Autor erfolgreich zu sein, hatte mir gerade soviel leisten können, wie man brauchte, um nicht zu verhungern. Doch nun, da mir das Glück praktisch in den Schoß gefallen war, empfand ich dumpfe Angst vor der Zukunft. Es war nicht nur die unheimliche Umgebung, die sich verheerend auf meine Psyche auswirkte. Die Angst saß tiefer, irgendwo in der Vergangenheit, in der Vergangenheit meiner Familie. Wohl schon seit Onkel Stephens Tod war mir oft so gewesen, schwante mir jetzt, als griffe irgend etwas Dunkles und Seelenloses mit gichtigen Händen nach meinen Geist.
Ich wußte, daß erblicher Wahnsinn manchmal erst nach Jahrzehnten ausbricht. Ich dachte an Onkel Stephen. Er war mit Sicherheit wahnsinnig gewesen. Sollte es mir in dieser Umgebung so ergehen wie ihm? Würden mich die grausigen Alpträume und Gesichte schrittweise in den Irrsinn treiben?
Ashton Manor strahlte etwas monströs Böses aus. Wieso war der Landsitz in den zehn Jahren, in denen er herrenlos gewesen war, von niemanden Mensch betreten worden? Wieso hatte kein Dieb die Gelegenheit genutzt, wo doch jedermann wußte … War die Furcht der hier lebenden Menschen so groß, daß sie sich nicht mal in die Nähe des Hauses wagten?
Es mußte sich ein Weg finden, der mich von den scheußlichen Träumen befreite, ohne daß die Öffentlichkeit von der wahren Scheusalhaftigkeit meines Onkels erfuhr. Ich mußte mir selbst helfen. Es gab genügend auch mir verständliche Literatur, die mich über das aufklären konnte, was mir Kopfzerbrechen bereitete.
Vier Tage später ließ ich mich, nachdem ich auf
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