Alptraumland
galt?«
»Weil …« Ich suchte nach Worten. »Weil Brady es schon einmal versucht hat … Als Perkins gar nicht hier war. Und wegen des ersten Fehlschlags hat er es noch einmal versucht. Weil Constable McGivern so intelligent war, ihn mir gar nicht erst gegenüberzustellen.«
Corcoran wiegte nachdenklich den Kopf. »Das ist Ihre Theorie. Aber ob sie stimmt …? Hier wurde ein Mann namens Perkins erschossen. Das ist für mich und meine Arbeit wichtig. Brady kennt Sie vermutlich ebensowenig wie Perkins und umgekehrt. Natürlich müssen wir aufgrund Ihrer Anschuldigung mit ihm sprechen, aber …«
Ich hatte den Eindruck, daß Corcoran mich nicht verstehen wollte. Ich erzählte ihm noch einmal alles von vorn. Daß Brady rothaarig war, daß Keith, der meine Worte bezeugte, einen Rothaarigen ums Haus hatte schleichen sehen – und daß der Mörder erst nachdem ich seinen Namen gerufen hatte, den Schuß abgab.
»Halten Sie sich bitte zu unserer Verfügung, Sir.« Das war alles, was Corcoran sagte, bevor er mit seinen Mitarbeitern und Perkins’ Leiche abrückte.
Als die Polizisten weg waren, zog ich mich ins Arbeitszimmer zurück, um nachzudenken. Dabei fiel mein Blick auf einen Bücherstapel, den ich aus der Bibliothek mitgenommen hatte. Natürlich war es Irrsinn, bei meinem nervlichen Zustand Bücher über Schwarze Magie und Satanismus zu lesen, aber da ich ohnehin an nichts anderes denken konnte, war es gleich, womit ich mich beschäftigte.
Ich merkte sehr bald, daß ich kaum in der Lage war, die Schrift zu erkennen. Die Buchstaben tanzten vor meinen Augen, und die Zeilen wurden zu durchgehenden Linien. Also beschränkte ich mich darauf, die Bilder anzusehen. Sie waren in Holzschnittechnik hergestellt, aber die Monstrositäten, die ich sah, reichten aus, um einen normalen Menschen in ein Nervenwrack zu verwandeln, das sich ständig umguckte.
Manche Gestalten waren durchaus menschenähnlich. Es waren Zweibeiner, aber ihre Gesichtszüge waren rattenhaft. Sie trieben sich in unterirdischen Gängen herum, zerrten erdverkrustete Särge hinter sich her oder wühlten in finsteren, ärmlichen Vorstadtgassen im Müll. Wieder andere schlichen bei Vollmond über die Dächer und trugen zerfetzte Kinderleichen unter dem Arm. Trotz der Schauderlichkeit der Abbildungen konnte ich den Blick kaum von den Buchseiten lösen.
Allmählich verwischte sich die Realität. Ich konnte nicht mehr unterscheiden, ob das, was mit mir geschah, Wirklichkeit war, oder die Ausgeburt einer überhitzten Phantasie. Das Arbeitszimmer verschwand vor meinen Augen. Es löste sich nicht in Nebelhaftem auf, sondern war von einer Sekunde zur anderen einfach nicht mehr da. Es schien, als sei ich durch einen unabgedeckten Brunnen in eine andere Welt gestürzt.
Verwirrt und leicht benommen richtete ich mich auf. Was war geschehen? Wo war das Buch, das ich eben noch in der Hand gehalten hatte? Mein Körper fühlte sich an, als sei er aus mehreren Metern in die Tiefe gefallen. Als ich meine Hände musterte, stellte ich fest, daß an ihnen Blut klebte. Aber ich war unverletzt.
Vorsichtig wagte ich die ersten Schritte – dorthin, wo die Straße von den baufälligen, abbruchreifen Häusern eines jämmerlich anzusehenden Elendsviertels begrenzt wurde. Ich glaubte an Halluzinationen zu leiden und rechnete damit, daß mir irgendeine teuflische Macht etwas vorgaukelte. Ich hoffte darauf, daß mich die Hausmauer, die natürlich in Wahrheit aus eines Wand des Arbeitszimmers bestand, der Realität irgendwann zurückgab.
Doch nichts dergleichen geschah. Die Mauern schienen echt zu sein. Von Angst gepeitscht rannte ich drauflos, bis ich außer Atem zusammenbrach. Ich blieb einige Zeit apathisch und bewegungslos liegen. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Was war geschehen? Ich wußte genau, noch vor wenigen Minuten war ich auf Ashton Manor gewesen. Ich erinnerte mich an die furchterregenden Zeichnungen, die ich mir angesehen hatte. Hatte ich abermals einen Traum? Der Traum aller Träume? Hier konnte ich auf keinen Fall bleiben.
Ich hatte große Sorge, wahnsinnig zu werden oder es schon zu sein. Also raffte ich mich hoch und torkelte ziellos weiter. Der Boden wurde unebener, war stellenweise mit Geröll bedeckt. Rings um mich herrschte geisterhafte Stille, die kein Laut störte.
Die Häuser, zwischen denen ich mich umherbewegte, waren Ruinen, in denen niemand lebte. Gelegentlich stießen meine Füße gegen kleine Felsbrocken. Im Gesicht und an den Händen
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