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Alptraumland

Alptraumland

Titel: Alptraumland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Ronald M. und Pukallus Hahn
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Fingernägel seiner Linken. Er wirkte verlegener denn je. »Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, Sir«, sagte er nach einigen Augenblicken stummen inneren Ringens, »klang das Wort wie Ghoul?«
    Ich nickte aufgeregt. »Ja! Ghoul! Was bedeutet es?«
    »Ein Ghoul, Mr. Ashton, ist ein Leichenfresser.«
    Mein Herzschlag setzte aus. Ich starrte ihn an. »Ein … was?«
    Robertson wiederholte es ungerührt und musterte mich dabei scharf. Mir standen die Haare zu Berge.
    »So nannte man nannte in alter Zeit Menschen, die Kannibalismus betrieben. Es gehört noch immer zum Wortschatz der hiesigen Landbevölkerung.«
    Mir wurde beinahe übel. »Mein Gott – ist das wahr? Wie ekelhaft!« Meine Stimme krächzte. Vor meinen geistigen Auge sah die abscheulichen Illustrationen aus den magischen Büchern meines Onkels: die Abbildungen mit den tückischen, verstohlen herumschleichenden Gestalten, die nächtens durch Dörfer zogen und ihre nichtmenschlichen Saugrüssel in die Leiber der Toten schlugen. Fast klapperten mir die Zähne. Ich schüttelte mich. Zutiefst bestürzt wandte ich mich an Howard, der bis jetzt wortlos der Unterhaltung gelauscht hatte. »Ist so etwas möglich, Howard? Du kennst dich aus … Kann dergleichen denn wahr sein? Gütiger Himmel, wir sind hier doch nicht in der Südsee …«
    Howards spitze Miene wirkte so weiß und kalt wie ein Leichentuch. »Leider ja«, fistelte er, als ob er mir damit keinen Dolchstoß mitten ins Herz versetzte. »Selbst in den sogenannten zivilisierten Gegenden der Welt sind auch im Laufe der Neuzeit immer wieder derartige Fälle nachgewiesen worden, und nicht lediglich bei Hungersnöten. Vielmehr zieht sich, wie aus der Fachliteratur ersehen werden kann, eine fortlaufende Geschichte blasphemischer kannibalischer Kulte durch alle Jahrhunderte.«
    »Ich würde mir die beleidigenden Äußerungen eines Bauerntölpels an Ihrer Stelle nicht zu Herzen nehmen, Sir«, empfahl mir Robertson. Ich weiß nicht, was mit mir geschah. Ich sprang so heftig hoch, so daß mein Stuhl nach hinten fiel und krallte meine Hände in Angus Robertsons Jackettaufschläge.
    »Ich will mehr wissen!« schrie ich. »Reden Sie! Sie wissen mehr! Warum verschweigen Sie mir etwas? Sagen Sie mir ins Gesicht, welche Ungeheuer meine Vorfahren waren!« Robertson schnappte nach Luft und setzte sich zur Wehr. Er packte meine Hände und bemühte sich, sie von seinem Jackett zu lösen.
    Auch Howard war aufgesprungen. »Um Himmels willen, Ashton, komm zur Vernunft«, bat er mich in eindringlichem Ton. Allerdings vermied er es, mich zu berühren. »Mäßige dich, Ashton! Mr. Robertson hat sich sehr bereitwillig und hilfsbereit verhalten. Sei doch nicht undankbar. Ashton, ich bitte dich, so benimmt sich kein Gentleman. Du schädigst deinen Ruf.«
    Letztere Ermahnung war in Anbetracht meiner Lage dermaßen komisch, daß ich unwillkürlich wie ein Irrsinniger schrill auflachte. Dadurch kam ich allmählich wieder zu Sinnen und lockerte den Griff.
    »Mr. Ashton …« sagte Robertson, nach Luft ringend, »ich muß doch sehr bitten …! Was soll das? Ich weiß wirklich nicht, was Sie von mir wollen.«
    Hinter uns öffnete sich die Tür. Ich ließ von Robertson ab und wandte mich um. Sein Bruder James, der schon bei der Übergabe meines Erbes einen fahrigen Eindruck gemacht hatte, stand mit einem Aktendeckel unter dem Arm auf der Schwelle und schaute ziemlich verdutzt drein.
    »Und Sie«, schnarrte ich ihn sofort voller Wut an, »haben von Anfang von diesem Teufelserbe gewußt! Wieso haben Sie Ashton Manor seit zehn Jahren nicht mehr betreten? Wieso wurde aus dem Haus in all den Jahren, in denen es leerstand, nicht einmal ein silberner Löffel gestohlen?« Ich bebte am ganzen Körper und sank auf meinen Stuhl zurück. Ich war so ausgelaugt, daß die Beine unter mir wegknickten und ich am ganzen Leibe schlotterte. Irgendwo glaubte ich ein Kind schluchzen zu hören; es dauerte eine ganze Weile, ehe ich merkte, daß die Schluchzlaute aus meiner Brust drangen. »Einen Arzt …« stammelte ich. »Bitte rufen Sie Dr. Redgrave an …« Normalerweise empfindet man eine Bewußtlosigkeit nicht anders als den Schlaf. Man ist sich der Existenz nicht bewußt. Diesmal erlebte ich die Besinnungslosigkeit anders. Ich nahm mit aller Deutlichkeit wahr, daß James Robertson zum Fernsprecher griff und Redgrave anrief. Dann verstrich Zeit, ohne daß ich irgend etwas empfand, etwas fühlte. Irgendwann erschienen drei Männer und hievten mich in ein

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