Alptraumland
ermitteln in einem Mordfall, Sir. Diesmal hat es den jungen Keith Storni getroffen … Aber wir haben den Mörder schon.«
Howard, Redgrave und ich schauten uns an. Der Schreck schnürte mir die Kehle zu. Keith? Ich war zu erschöpft, um zu irgend etwas imstande zu sein. Howard faßte mich am Arm und führte mich ins Haus. Marjorie und Dorothy Storm waren nirgendwo zu sehen. Corcoran folgte uns und erklärte, daß seine Leute die beiden vorerst nach Glasgow ins Krankenhaus gebracht hatten. Sie hatten einen schweren Schock davongetragen.
»Sie hatten recht mit Ihrer Vermutung«, sagte Sergeant Corcoran. »Brady war wirklich der Täter. Wir haben ihn zwar verhört, aber er hatte ein hieb- und stichfestes Alibi für den Abend, an dem Perkins umkam. Sechs Freunde sagen aus, er hätte den Abend beim Kartenspiel und einem Glas Scotch bei ihnen verbracht.« Er räusperte sich. »Aber der Mord an Keith Storm ist ihm zum Verhängnis geworden. Als Brady klar wurde, daß er einen weiteren Fehler begangen hatte, ging er nach Hause und erhängte sich. Diesen Zettel hier haben wir bei ihm gefunden.«
Er zeigte mir ein Stück braunes Packpapier, auf dem in ungelenken Buchstaben stand: »Ich bekenne mir schuldig, zwo Angestellten von Ashton Manor erschossen zu ham. Es war beide Mal ein Versehn. Ich hab sie im Dustern mit ihrem leichenfressenden Herrn verwexelt. Er ist wieder da – in Gestalt seines Neffen. Bald fordert er neue Blutopfer. Das Ungeheuer hat meinem Sohn Eric auf dem Gewissen, der nach das Verschwinden Janets aus das Leben schied.«
»Das ist ja vollkommen lachhaft!« brauste ich auf. »Der Kerl war irre!«
Corcoran zupfte sich an der Nase. »Die Erwähnung des Namens Janet hat einen meiner älteren Kollegen an etwas erinnert, Mr. Ashton. Tatsächlich ist neunzehnhundertzehn in dieser Gegend ein Mädchen namens Janet Kirk verschwunden. Anonymen Hinweisen zufolge, die seinerzeit beim Polizeiposten in Largs eingingen, sollte ein gewisser Stephen Ashton der Mörder gewesen sein. Allerdings ist man dem Fall nie richtig nachgegangen.« Corcoran schnippte ein imaginäres Stäubchen von seinem Ärmel. »Ich vermute, weil man es für unschicklich hielt, einen Gentleman mit einer lumpigen Mordgeschichte in Verbindung zu bringen.«
»Ich weiß, ich weiß«, erwiderte ich ungehalten und winkte ab. »Ich kenne diese alte Mär.« Der junge Keith war tot. Ich konnte es nicht fassen. Niedergeschossen auf meinem Grund und Boden, genau wie mein Chauffeur. Und beide Anschläge hatten eigentlich mir gegolten. Allmählich entwickelte mein Leben frappante Ähnlichkeiten mit einem Hollywoodfilm.
»Zumindest kennen wir nun Bradys Motiv«, sagte Corcoran zufrieden und steckte den Wisch ein. »Wahrscheinlich ist er durch den Tod seines Sohnes sehr mitgenommen worden, und da es keinen offiziellen Schuldigen gab, hat er seinen Haß auf Ihren Onkel auf Sie übertragen.«
»So sehe ich es auch, Sergeant«, stimmte Redgrave zu. »Dieser neue verbrecherische Vorfall ist selbstverständlich höchst bedauerlich, aber darf ich Sie dennoch bitten, nun mit Ihren Männern das Haus zu verlassen? Mr. Ashton ist erschöpft. Alles Weitere kann bestimmt bis morgen warten.«
Corcoran nickte. »Aber gewiß doch. Sie wissen ja, auf Gentlemen nehmen wir jederzeit Rücksicht.« Für diese unverfrorene Anspielung hätte ich ihm zu gern den Hals umgedreht. Doch ich fühlte mich wirklich völlig ausgelaugt. Hätte Howard mich nicht gestützt, ich wäre auf der Stelle zusammengesunken. Kurz darauf sammelte Corcoran seine Mitarbeiter und machte sich auf die Rückfahrt. Natürlich nicht, ohne mir anzudrohen – genau wie in einem schlechten Film –, wir hätten uns nicht zum letztenmal gesehen.
»Morgen fangen wir mit der Suche nach den Festungsgewölben an«, sagte Redgrave, als ich im Bett lag und er mir eine Spritze gegeben hatte. »Ich bin mehr denn je davon überzeugt, daß nur eine unmittelbare Besichtigung dieser fluchbeladenen Stätten Sie von Ihrem Trauma heilen kann.«
Seine letzten Worte hörte ich kaum noch. Die Spritze, die mich am Träumen hindern sollte, zeigte jedoch nicht die Wirkung, die ich mir erhofft hatte. Der Alpdruck, der in dieser Nacht auf mir lastete, beeindruckte mich vielmehr stärker als jeder vorangegangenen, denn ich hatte das Empfinden, daß er mich dem Ursprung meiner Qualen und damit der erlösenden Befreiung von meinen Leiden näher brachte …
Mein Ich schwebte über einer von weißen Nebelschwaden umwallten Anhöhe. Ein
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