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Alraunes Todeskuß

Alraunes Todeskuß

Titel: Alraunes Todeskuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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für einen Moment stehen, den Kopf nach vorn gedrückt.
    Das Gesicht lag wie auf dem Präsentierteller vor ihr. Im weichen Licht der Deckenleuchte sah es aus wie ein kompaktes Gemälde, über das etwas Wärme strömte, und die Alraune rieb ihre kleinen Hände.
    Auf Zehenspitzen bewegte sie sich dem Hals entgegen.
    Sie wollte einen nicht zu großen Druck ausüben, und sie überlegte, wie sie den Schläfer am besten wecken konnte.
    In den Hals greifen, die kleinen Hände gegen seinen Adamsapfel drücken und ihm so die Luft nehmen. Das war gut, das gefiel ihr. Noch ein Schritt nach vorn. Sie streckte die Hände aus.
    Ihr Mund klaffte schon auf. Darin tanzte die Zunge wie ein dicker Blutschwamm. Jetzt!
    »Tommy!« Plötzlich gellte die Männerstimme auf. Sie klang etwas schrill und leicht ungeduldig. Sie war zugleich wie ein Trompetenstoß, der Halbtote aus ihrem Zustand gerissen hätte.
    Selbst für einen Mann wie Tommy war er wie ein Signal, das in die Tiefen seines Unterbewußtseins drang. Er schnellte mit dem Oberkörper hoch, und Alraune, deren Hände schon griffbereit vorgestreckt waren, mußte die Arme blitzartig wieder anwinkeln.
    Nicht nur das, sie mußte auch von dem Körper verschwinden, denn dieser Ruf hatte ihren Plan zunichte gemacht.
    Sie stieß sich noch einmal ab, landete auf der Liegenkante, knickte dort weg und fiel wie ein Stein zu Boden. Sie landete auf dem Bauch und tat dann genau das Richtige, indem sie nicht zur Tür kroch, um zu verschwinden, sondern sich unter die Liege verzog, wo sie eine gute Deckung gefunden hatte.
    Über ihr ächzte das provisorische Bett, denn Tommy hatte sich auf die Seite geschwungen. Seine Füße und der untere Teil der Beine erschienen im Blickfeld des magischen Wesens, und es hörte auch den erneuten Ruf.
    »Tommy!?«
    Diesmal lauter und auch unwirscher, so daß Tommys Arme nach unten zuckten, denn er hatte sich die Augen gerieben.
    »Ich bin hier, Pepe!«
    Harte Tritte, dann erschien jemand in der Tür, die ruckartig aufgestoßen worden war.
    Die Alraune hatte sich so weit vorgebeugt, daß sie, wenn sie den Kopf hob, auch die Tür sehen konnte. Auf deren Schwelle war ein Mann erschienen. Er trug einen heilroten Smoking, ein schwarzes Hemd und am Kragen eine hellrote Fliege. Sein gebräuntes Gesicht zeigte einen leicht melancholischen Ausdruck, was an den Augen liegen mochte, deren Pupillen nicht nur dackelbraun waren, sondern auch so blickten.
    Auf der Oberlippe wuchs ein schmaler Bart. Das Kinn sprang eckig hervor und zeigte in der Mitte eine Einkerbung.
    »Hast du geschlafen, Tommy?«
    »Ja.« Der Angesprochene war aufgestanden und nickte schuldbewußt.
    »Aber meinen Job habe ich getan. Es ist alles eingeräumt, du wirst nichts zu kritisieren haben.«
    Pepe warf ihm einen scharfen Blick zu. »Hoffentlich«, sagte er und drehte sich um. »Ich sehe dich dann an der Bar.«
    »Natürlich.« Tommy wartete, bis er Pepes Schritte nicht mehr hörte, murmelte eine Verwünschung und strich dann seine Kleidung glatt, die durch das Liegen etwas zerknittert worden war. Dann bückte er sich, um die Liege wieder zusammenzudrücken und sie wegzustellen.
    Damit hatte die Alraune gerechnet. Sie war darunter hinweggehuscht und hatte sich dort versteckt, wo die Anzüge der Musiker am Ständer hingen.
    Die Alraune ärgerte sich. Sie hätte ihm gern den Kuß gegeben. Im letzten Moment war etwas dazwischengekommen, und sie beschloß, sich auch diesen Störenfried vorzunehmen.
    Tommy Brown verließ die Garderobe. Wütend knallte er die Tür hinter sich zu und sperrte die Alraune damit ein.
    Als Gefangene fühlte sie sich trotzdem nicht. Ihre Zeit würde kommen, sehr bald schon…
    Maria Anzaros Einkäufe hatten doch etwas länger gedauert als angenommen, und ich war schließlich froh gewesen, als sie mir mit einem Lächeln erklärte: »Das ist es gewesen, John.«
    »Und nun? Zum Hotel?«
    Sie lachte und umfaßte meinen Arm. »Nein, das auf keinen Fall. Wir werden in den Club fahren.«
    »Wunderbar, einverstanden.« Ich trug die drei Tüten und wirbelte sie in die Höhe. Damit deutete ich auf das Parkhaus, in dem wir den Wagen abgestellt hatten. Es lag nur ein paar Ecken entfernt und war in wenigen Minuten zu erreichen.
    Als wir im Wagen saßen, lehnte Maria den Kopf zurück und legte die Hände aufs Gesicht. Ich hörte sie stöhnend atmen.
    »Was haben Sie?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Noch startete ich nicht. Erst als die Hände nach unten gesunken waren, drehte ich den Zündschlüssel.

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