Als das Handy eine Buschtrommel war
Schriftzeichen befinden sich auf Hornplatten von Schildkröten und auf Rinderknochen aus der späteren Shang-Dynastie (um 1400–1200 v.Chr.). Die chinesische Schrift diente anfangs primär der Niederschrift von Weissagungen und hatte offensichtlich einen rein religiösen Charakter. Von ihren 4500 bekannten Zeichen sind bislang nur 1000 entziffert. Ein Bruchteil ging in die sogenannte Große Siegelschrift der Zhou-Dynastie über, deren Zeichen in mehr oder weniger stark abgewandelter Form zu den folgenden Schriften führten, wobei sich die Anzahl der Schriftzeichen kontinuierlich bis in die Neuzeit erhöhte: Gab es während der Han-Dynastie (206 v.Chr.–206 n.Chr.) annähernd 10000 Zeichen, waren es im 12. Jahrhundert bereits mehr als 12000 und im 18. Jahrhundert annähernd 49000.
Erst die Schriftreform von 1975 führte zu einem Schriftzeichensystem, der Yi-Schrift, das sich aus Silben zusammensetzt und »nur noch« 819 Zeichen besitzt. Dieses System hat sich allerdings noch nicht durchsetzen können, so dass die alte Schrift mit ihren Tausenden von Wortzeichen parallel weiterhin fortbesteht. Die Japaner haben viele Schriftzeichen zur Wiedergabe der Wortstämme übernommen. Diese »Kanji« werden zur Schreibung der grammatischen Morpheme durch »Hiragana« und zur Schreibung von Fremdwörtern in Silben durch »Katakana« ergänzt. Ein »durchschnittlicher« Japaner beherrscht etwa 2000 Zeichen, gebildete Japaner 5000 Zeichen. Japan und China demonstrieren, dass auch Schriftsysteme, die vor allem auf Logogrammen aufgebaut sind, nicht unbedingt im Widerspruch zu hochkomplexen Industrienationen stehen.
Von den Phöniziern zu den Griechen – Erste Alphabetschriften
Um 1700 v.Chr. tauchten auf der Sinai-Halbinsel Inschriften auf, die aus nur 23 Konsonantenzeichen bestanden. Die Texte in diesem »Proto-Kanaanäisch« sind großteils nicht entschlüsselt. Sie stammen aus dem Umfeld des ägyptischen Türkisbergwerks von Serabit al-Khadim, in dem viele Kanaaniter, Bewohner des Heiligen Landes, als Bergleute arbeiteten. Weitere Inschriften mit ähnlicher Schrift aus dem 17. und 16. Jahrhundert v.Chr. entstanden in Sichem, Gezer und Lachisch. Diese Schrift wird nach ihren ältesten Zeugnissen als »protosinaitisch« bezeichnet. Manche der Zeichen stammen wohl von den abstrahierten Bildern bestimmter Worte, deren Anfangsbuchstaben den relevanten Konsonanten beschreiben. Andere scheinen auf andere Symbole zurückzugreifen oder sind erfunden.
Der florierende Handel phönizischer Kaufleute lieferte die wichtigsten Impulse für die Entstehung der phönizischen Alphabetschrift mit ihren 22 Konsonanten in der 2. Hälfte des 2. Jahrtausends v.Chr. Mit der Ausweitung des phönizischen Handels ab dem 12. Jahrhundert v.Chr. verbreitet sich diese Schrift erst im östlichen und spätestens ab dem 9. Jahrhundert v.Chr. auch im westlichen Mittelmeerraum, vor allem in Nordafrika, Spanien, Sizilien und Sardinien. Die Griechen, die ihrerseits ab dem 8. Jahrhundert v.Chr. eine rege Handelstätigkeit im Mittelmeerraum betrieben und Kontakte zu den Phöniziern pflegten, entwickelten in der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts v.Chr. aus den phönizischen Konsonantenzeichen eigene Schriftzeichen und ergänzten sie vor allem durch neue Zeichen für die Vokale. Wie bei den Phöniziern diente die Schrift auch bei den Griechen vor allem Verwaltungsaufgaben. Aus der griechischen Schrift ging später die lateinische Schrift hervor.
Keltische und germanische Schriften
Die lateinische Alphabetschrift inspirierte Kelten und Germanen zur Entwicklung eigener Schriften. Die keltische Schrift »Ogam« wurde in Irland zwischen dem 3. Jahrhundert v.Chr. und dem 7. Jahrhundert n.Chr. geschrieben. Die germanischen Runen – nach den ersten sechs Buchstaben (F, U, TH, A, R, K) auch als Futhark bezeichnet – wurden vom 1. bis 12. Jahrhundert verwendet. Ihre Zeichen waren den Germanen heilig und wurden in ihrer ursprünglichen Form – dem bis ins 8. Jahrhundert üblichen »älteren Futhark« mit 24 Zeichen – ausschließlich von Zauberern und Priestern für religiöse Zwecke verwendet. Die ab dem 9. Jahrhundert übliche jüngere Runenschrift – das »nordische Futhark« mit 16 Zeichen – war ebenfalls überwiegend religiösen Inhalten vorbehalten, die nun allerdings sowohl heidnisch als auch christlich waren. Die keltische und die germanische Schrift wurde im Mittelalter durch die lateinische Schrift abgelöst, die insbesondere durch christliche Missionare und
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