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Als das Handy eine Buschtrommel war

Als das Handy eine Buschtrommel war

Titel: Als das Handy eine Buschtrommel war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wissen.de
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Kraft, Größe oder Wildheit, für ihre Potenz oder Schönheit bekannt sind. Selbst in hochtechnisierten Kulturen sind Tierkulte verbreitet. Sie sind sichtbar in der Werbebotschaft mit dem Tiger, auf dem Poster mit dem Einhorn oder, als abnehmbarer Körperschmuck, auf dem T-Shirt mit dem Bären – die Kunst der Eiszeit ist noch immer lebendig.
    Dasselbe Bildprogramm findet sich in den Höhlenmalereien und -gravierungen wieder. Die monumentalen Felsgalerien konzentrieren sich auf rund 150 Orte, die vor allem in Südfrankreich, Spanien, Italien und dem südlichen Ural zu finden sind. In keiner Bilderhöhle lagen Siedlungsreste. Die Grotten waren reine Galerien, vielleicht Heiligtümer, die vermutlich nur von Künstlern und Schamanen betreten werden durften. Die Höhlenmalereien als profanen Wandschmuck eines Wohnraums oder als Zeitvertreib zu betrachten, ist deshalb grotesk.
    Oft zogen sich die Künstler in die finstersten Kammern einer Höhle zurück und malten im Fackelschein Tiere oder Mischwesen an den Fels oder ritzten sie in Stein. Ein beeindruckendes Beispiel ist der »Zauberer« von Trois Frères, einer Höhle im französischen Département Ariège. In dem stark verblassten Bild erkennen viele Forscher ein Mischwesen zwischen Mensch und Hirsch oder einen Schamanen im Tiermantel, der eine Geweihmaske trägt. Wenn es zutrifft, dass das Kunstschaffen den Schamanen einer Steinzeitsippe vorbehalten war, könnte der »Zauberer« von Trois Frères eines der ersten Selbstporträts der Geschichte sein.
    Die Umstände prägen die Gestaltung
    Während der Alltag die Motive bestimmte, wurde die Farbgebung durch die geringe Auswahl an Rohstoffen diktiert. Gerade der enge Spielraum mag die Künstler zu Experimenten herausgefordert haben. Zu den obskursten Kompositionen jener Zeit zählt der Leopard in der Grotte Chauvet, der aus Dutzenden Einzelpunkten auf die Höhlenwand getupft ist. Unter dem Bild ist der Abdruck einer Bärentatze erkennbar. Ob sie von einem später die Grotte besuchenden Höhlenbären stammt oder vom Künstler selbst mithilfe einer Jagdtrophäe angebracht wurde, bleibt für immer ein Rätsel.
    Der zum Teil schlechte Erhaltungsgrad frühgeschichtlicher Kunst bietet zudem immer wieder Raum für unterschiedliche Interpretationen. In der Geschichte der Archäologie entpuppte sich oft genug ein vermeintliches Meisterwerk der Altsteinzeit als bloße Ansammlung zufällig entstandener Linien auf einem Stein oder Knochen. Für manche schälte sich der Umriss eines Mammuts aus Strichknäueln an einem Felsen heraus, für andere der einer schwangeren Frau, wieder andere wollten in ihm den Nachthimmel erkennen. Ein gravierter Menschenkopf aus der Grotte du Placard, der von einem Homo sapiens gefertigt wurde, ist in 18 Umzeichnungen bekannt, die jeweils ein anderes Gesicht wiedergeben. Von der Gravur eines Mammuts von La Madelaine existieren 50 unterschiedliche Kopien.
    Kunst entstand nicht allein in Europa. Gravierte Knochenstücke aus dem südafrikanischen KwaZulu (»Land der Zulu«) sind 35000 Jahre alt, verzierte Steine aus Simbabwe 13000 Jahre. Auf ein Alter von 25000 Jahren werden Kunstzeugnisse aus Indien und dem Mittleren Osten datiert, selbst im Norden Australiens entstanden vor 30000 Jahren Zierobjekte. An diesen Orten schuf Homo sapiens seine Zauberer und Venusfiguren, seine Tierbilder und Waffenornamente, ohne von Vorlagen aus der Vergangenheit kopieren zu können. Die Werke der Altsteinzeit sind die ursprünglichste Kunst der Welt.
    Kunst im Dienst der Zivilisation
    Kult und Mythos blieben jahrtausendelang die wichtigsten Inspirationsquellen von Malern und Bildhauern, Musikern und Architekten. Die Malerei wechselte von den Wänden der Kulthöhlen auf die Wände der Tempel in den frühen Hochkulturen. Fresken und Reliefs in Ägypten und Mesopotamien zeigten hauptsächlich religiös bestimmte Motive wie Totenschiffe, Götter oder rituelle Handlungen. Dann mischte sich Weltliches unter das Bildprogramm. Pharaonen wie Ramses II. ließen sich in Kolossalstatuen verewigen, der mesopotamische König Naramsin zeigte sich auf einem Relief von 2270 v.Chr. als Sieger über ein Heer von Feinden. Zwar fehlten in diesen Bildnissen die Figuren der Götter, doch die Botschaft war nicht minder kultisch: Der Herrscher wurde als reich, stark und mächtig dargestellt und galt damit unter allen Zeitgenossen einem Gott am ähnlichsten. Die übertriebene Größe der Könige in Bezug auf die Untertanen machte auch dem

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