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Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman

Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman

Titel: Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Vermalle
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werden.
    Trotz der Schweißränder unter den Achseln seines Hemdes trat der junge Immobilienmakler völlig selbstsicher auf und drückte Jacqueline und Nane die Hand. Er schenkte ihnen sein schönstes Lächeln, das er speziell für ältere Damen reserviert hatte. Mit diesem Lächeln sah er aus wie der perfekte Enkelsohn, den sie niemals gehabt hatten. Jacqueline schien ihn sympathisch zu finden. Nane dagegen trauerte den Zeiten hinterher, als sie noch gelenkig genug war, um diesem Enkelsohn, den sie niemals hatte, einen Tritt in den Hintern zu verpassen. Doch als sie das Haus betraten, das wie geschaffen für Jacqueline war, vergaß sie ihren Groll sofort.
    Jacqueline fiel zuerst die unglaubliche Dunkelheit auf. Das Licht auf dem sonnenbeschienenen Hof mit den hellen Kieswegen war so grell gewesen, dass ihre Augen nun Mühe hatten, sich umzustellen. Der Immobilienmakler öffnete ein paar Türen, sodass Licht hereinkam und Jacqueline das Haus erkunden konnte. Zwei Zimmer, ein Esszimmer, eine kleine Küche, ein Badezimmer, eine Abstellkammer und eine kleine Garage. Die elektrischen Leitungen waren erneuert worden, und die Handwerker hatten alles vorbereitet, um die Wände zu streichen. Noch sah man überall den Staub der letzten Jahrzehnte, und die Rückseiten der Möbel zeichneten sich auf den ausgeblichenen Tapeten ab. Eine dicke Schmutzschicht lag auf den Fußleisten, und Fliegendreck haftete an der Decke.
    Der Makler folgte Jacquelines Blick. »Ja, Sie haben vollkommen recht. Es war in keinem guten Zustand mehr«, stieß er hastig hervor. »Hier wohnte eine alte Dame, und mit alt meine ich wirklich sehr, sehr alt. Sie wissen ja, wie das ist. Wenn die Handwerker erst einmal alles gestrichen haben, sieht das Ganze wieder aus wie neu. Werfen Sie mal einen Blick ins Badezimmer. Dort wurde eine neue Dusche eingebaut. Duschen sind doch praktischer als Badewannen, nicht wahr?«
    Nane war entzückt. Man brauchte zwar ein bisschen Fantasie, doch sobald sie das Haus hübsch eingerichtet hätten, wäre es ideal. Wirklich praktisch. Es fehlte nichts,und es war alles schlicht gehalten. Wenn Jacqueline wollte, könnte sie schon in der nächsten Woche einziehen. Nane sagte zu ihrer Cousine, dass sie sich nicht um den Kauf von Möbeln kümmern müsse. Sie könne ihr einstweilen welche leihen. Im Atelier stünden genug, die zudem sehr schön seien.
    Der Makler spürte die Begeisterung der älteren Dame. Aber nicht sie wollte das Haus mieten, sondern die elegante Dame, die zu zögern schien. Es war Zeit, in den Garten hinter dem Haus zu gehen. Das würde sie überzeugen.
    Er öffnete die Küchentür, und die beiden Damen entdeckten einen wunderschönen, kleinen Garten. Der Makler pries die freie Sicht und die unglaubliche Ruhe, und außerdem sei man hier vor dem Wind geschützt. Jacqueline betrachtete den kleinen, ruhigen Garten. Hier und da spross Unkraut, und ein paar Stockrosen waren abgeknickt, aber jeder hätte zugestimmt, dass diese hübsche Oase immer gepflegt worden war. Ganz hinten im Garten stand ein Apfelbaum. Rosenstöcke und rosafarbene und violette Hortensien verdeckten die weißen Mauern des Hauses nahezu vollständig. Steinplatten trennten die kleinen Beete mit Stiefmütterchen, Vergissmeinnicht und anderen Gartenblumen. Einige waren verblüht, aber man konnte sich gut vorstellen, wie es hier einmal ausgesehen hatte. Das ausgeblichene Säckchen mit den Blumensamen hing noch da. Vor dem Haus in der Nähe der Küchentür standen Blumentöpfe mit Ablegern von Fetthenne und mit Geranien. Jacqueline schaute auf die Terrasse, wo sie im Schatten eines großen Sonnenschirms lesen und die Jahreszeiten genießen konnte, die sanft über die Rosenblätter hinwegglitten. Für Nane war der Garten schon allein deshalb ein Paradies, weil es hier kein Gegenüber und keine neugierige Madame Tricot gab.
    »Hier geht Ihnen niemand auf die Nerven. Ein ruhigeres Plätzchen gibt es nicht«, sagte der Makler. Jacqueline schaute sich alles genau an und malte sich ihr neues Leben aus. Ihr Blick folgte einer kleinen Eidechse, die sich zwischen den Blumentöpfen auf der Terrasse hindurchschlängelte. Und hinter einer alten Gießkanne lagen noch die Gartengeräte: ein alter Rechen, ein Grubber mit einem Holzstiel, ein alter Handschuh. An der Wand lehnte ein anderes, sonderbares Gerät. An einem ungefähr einen Meter langen Stiel war mit einem Band eine alte Gabel befestigt. Im Geiste sah Jacqueline die alte Mutter Perchet vor sich, die sich

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