Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman
nicht mehr bücken konnte, wie sie ihre kleine Oase harkte. Sie wollte es schön haben in diesem Garten, auch wenn ihn niemand sehen konnte. Der Makler riss sie aus ihren Gedanken. Aus einer orangefarbenen Plastikmappe zog er Unterlagen heraus und wandte sich den beiden Damen zu, wobei er vor allem Nane anschaute.
»Ich verschweige Ihnen nicht, dass Sie die Ersten sind, denen ich das Haus zeige. Aber für morgen habe ich bereits weitere Termine. Nur mit Leuten eines gewissen Alters, denn man kann es ja offen sagen: Das Haus ist gerade für ältere Herrschaften ideal. Es gibt nur die kleine Stufe, die in den Garten führt, was ich aber nicht böse meine. Und dann der Garten, wo Ihnen keiner auf die Nerven geht. Ich gebe Ihnen die Verträge mit. Ich an Ihrer Stelle würde sofort morgen früh in der Agentur anrufen und zusagen. Ich will Sie nicht drängen, aber es würde mich nicht wundern,wenn dieses schöne Haus morgen schon vergeben wäre.«
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Als Jacqueline in das Gartenhaus zurückkehrte, legte sie die Verträge des Immobilienmaklers in die Schublade, in der das Paket aus Benin lag. Beinahe hätte sie es vergessen. Da Nane nun ihr afrikanisches Geheimnis kannte und sie sich entschlossen hatte, auf der Insel zu bleiben, konnte sie auch mit ihr darüber sprechen.
Jacqueline nahm den handgeschriebenen Brief in die Hand.
Djagballo, den 3. Juli
Liebe Jacqueline,
ich hoffe, dass Sie sich bester Gesundheit erfreuen, wenn Sie diesen Brief erhalten. Sie haben uns mit Ihrem letzten Paket wieder sehr glücklich gemacht. Die Kinder haben sich riesig gefreut über die Bücher. Ich kann es kaum erwarten, die neuen Romane zu lesen, die nun auf einem hohen Stapelliegen. Nicht dass ich keine Lust dazu hätte, doch bei der vielen Arbeit in der Schule fehlt es oft an Zeit. Vielleicht kennen Sie auch schon unsere neue Internetseite. Das war ein großes Projekt.
Anbei wie versprochen Monettes Zeugnis und ihr Brief. Sie können sehen, dass sie sich seit dem letzten Schuljahr verbessert hat. Sie kann sich wunderbar ausdrücken, doch das Schreiben ist noch immer schwierig. Die Bücher, die Sie ihr immer schicken, liest sie jedoch mit großer Begeisterung. Ich bin sicher, dass es im nächsten Schuljahr besser klappt.
Mit diesem Brief schicke ich Ihnen ein kleines Paket, das mir für Sie anvertraut wurde. Dazu eine kurze Erklärung. Die Mutter von Monette, Virginie Ouadé, hat – trotz unserer Bemühungen, die Adressen unserer Paten geheim zu halten; ich verdächtige unseren jungen ›Webmaster‹ – Ihre Adresse herausgefunden. Daher weiß sie, dass Sie bei Nane Verbowitz wohnen. Virginie studiert an der Kunsthochschule, und ihre besondere Begeisterung gilt der Bildhauerei. Sie ist unleugbar talentiert. Als sie den Namen der bekannten Bildhauerin las, ließ sie ihrer Fantasie sofort freien Lauf.
Sie bat mich um meinen Rat, und ich habe ihr selbstverständlich Zurückhaltung empfohlen. Dennoch schicke ich Ihnen heute auf Virginies Wunsch hin ein paar Arbeitsproben und ein Bewerbungsschreiben für eine Anstellung zu. Ich bitte Sie herzlich, alles Madame Verbowitz zu übergeben, falls Sie tatsächlich mit der Künstlerin befreundet sind. Virginie ist eine reizende junge Frau voller Elan und Zielstrebigkeit. Obwohl diese Anfrage kaum Aussicht auf Erfolg hat und ich sie vor den Schwierigkeiten dieses Vorhabens gewarnt habe,bestand sie darauf, Ihnen alle erforderlichen Unterlagen und Arbeitsproben zu schicken, damit Madame Verbowitz die Bewerbung einer eingehenden Prüfung unterziehen kann.
Für Virginies guten Charakter und ihre Zuverlässigkeit verbürge ich mich. Der ehrgeizige Plan, mit ihrer Tochter Monette nach Frankreich zu ziehen, würde natürlich intensive Vorbereitungen erfordern. Virginie ist es übrigens gelungen, ein Visum zu erhalten.
Meine liebe Jacqueline, seien Sie nicht betrübt, wenn Sie auf diese Anfrage nicht mit einer positiven Antwort reagieren können. Ihre Unterstützung im Laufe der Jahre war beträchtlich und für die Schule und die Schüler von so großer Bedeutung, dass es mir unangenehm ist, mit weiteren Bitten an Sie heranzutreten. Doch mitunter bietet das Schicksal uns Chancen, die man ergreifen muss. Virginies Bewerbung ist ein Beweis für den Mut der jungen Frau und mein Vertrauen, das ich meiner lieben französischen Freundin entgegenbringe.
Mit den herzlichsten Grüßen
Ihre Perpétue
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Um Punkt zwei Uhr am Tag des Drachenfestes stand Marcel bei seiner Gastgeberin Ginette vor der Tür. Sie
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