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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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Schwester sitzt drüben im Flüchtlingslager“, begann er sein Anliegen vorzutragen. „Die reinste Schande für unsere Familie“, und seine Stimme, fand Sebastian amüsiert, klang wirklich empört. „Sie bereut jetzt immerhin den ganzen Unsinn und will zurück. Ich muß rüber, um ihr zu helfen.“
    Der Vopo hinterm Fenster starrte dazu auf Hans-Peters Ausweis und in seiner Miene spiegelte sich bereits Ungeduld. Alles möglichst ablehnen war sein Auftrag, dem er, längst in Routine verfallen, ganz automatisch nachkam. Die vorgetragenen Anliegen vernahm er kaum noch, lediglich bruchstückhaft, und so hörte er sich schon lange nichts mehr bis zu Ende an. Auch Hans-Peters Ausweis schob er bereits zurück und schüttelte dazu den Kopf. „Ihre Schwester ist doch sicher alt genug und kann jederzeit alleine zurückkommen.“
    Diese erneute Ablehnung empörte Hans-Peter nun wirklich. Er war sauer. „Wir sind froh, daß sie zurückkommen will. Mein Vater schickt mich extra und dann dieses Theater hier mit dem Passierschein! Das ist unmöglich! Rufen Sie den Staatsratsvorsitzenden, rufen Sie Walter Ulbricht an, ein guter Freund meines Vaters von früher her. Der wird Ihnen sagen, was hier geht und was nicht. Eine Unverschämtheit! Na, machen Sie schon, rufen Sie an! Das Telefon steht ja neben Ihnen. Das hier ist ein Freund, der mich begleitet“, dabei wies er auf Sebastian neben sich. „Wir gehen hier nicht eher weg, bis Sie angerufen haben.“
    In der Warteschlange hinter ihnen hörten Leute schon neugierig dieser Debatte zu, einige grinsten verstohlen, andere blickten zur Seite oder zu Boden. Auseinandersetzungen, in denen der Spitzbart auftauchte, wollte man möglichst fern bleiben. Das empfand wohl schließlich auch der Vopo hinterm Schalterfenster so, als er schulterzuckend einen Laufzettel durch die Öffnung schob und dazu abwinkte, wohl der Meinung, daß dies doch die zuständigen Genossen klären sollten.
    „Warum nicht gleich so“, knurrte Hans-Peter ihn an und die Freunde traten in die Halle zurück.
    „Toll“, sagte Sebastian, „gut gemacht, hat doch geklappt, sogar schneller als wir dachten.“
    „Ich war auch wirklich sauer“, erklärte Hans-Peter und sah sich dazu um, „es ist doch eine Schweinerei, wie die mit ihren Bürgern umspringen. Statt froh zu sein, daß ich meine Schwester von drüben zurückholen will, schalten die stumpfsinnig auf stur.“
    Sebastian grinste.
    „Lach nicht! Das hätte doch wahr sein können, das mit Irene.“
    „Schon“, und Sebastian zeigte auf eine Glastür, neben der zwei Vopos sich langweilten, „aber die richtige Probe kommt ja erst noch. Dort mußt du nämlich mit deinem Laufzettel durch.“
    „Na und? Ich hab’ den Zettel ja.“
    „Natürlich, aber danach bei der Stasi, da mußt du dann noch mal überzeugen, nicht mit Empörung und ohne auf einer Freundschaft deines Vaters zu Walter Ulbricht rumzureiten.“
    „Also sag mal“, Hans-Peter trat zwei Schritte zurück und musterte den Freund von oben bis unten, „so’n Stuß erzähle ich doch der Stasi nicht! Wir sollten uns jetzt nicht mit solchem Unsinn aufhalten, schließlich muß ich da jetzt rein.“ Hans-Peter wies, nun merklich nervös, mit dem Kopf in Richtung Glastür.
    „Du mußt dich dort nur auf deine reuige Schwester beziehen und im Flüchtlingslager ist sie jedenfalls, da schwindelst du nicht und kannst auf den Putz hauen. Dein Vater als alter Kommunist will es sich nicht zumuten nach Westberlin und in so ein Lager zu fahren.“
    „Eine gute Idee“, sagte Hans-Peter und nickte.
    „Und wegen der Genehmigung für die Fahrkarten, wenn die fragen sollten...“
    „Das haben wir doch schon besprochen. Ich gehe jetzt rein.“
    „Aber immer ruhig bleiben“, beschwichtigte Sebastian, „und überzeugend sein wie eben vorhin am Schalter. Moment noch.“ Er hielt den Freund am Ellenbogen zurück. „Gib mir lieber die Fahrkartengenehmigung“, sagte er mit gedämpfter Stimme, „die hast du in deiner Seitentasche. Bei mir ist die momentan besser aufgehoben.“
    Hans-Peter, in Gedanken schon bei der Stasi, nickte und suchte zuerst in der falschen Tasche. Schließlich aber fand er die selbst gemachte Genehmigung. Sebastian schlug dem Freund auf die Schulter. „Na los, Hauptmann“, sagte er, „die Stadtkasse wartet.“
    Hans-Peter wandte kurz den Kopf, grinste und ging dann auf die vor der Glastür herumstehenden Posten zu, von denen der eine ihm den Laufzettel abnahm und die Tür öffnete.

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