Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
gezogen war. Die beiden Freunde grinsten sich erleichtert an, als die Polizisten außer Sichtweite waren. „Die haben hier alle Schiß gehabt“, flüsterte Hans-Peter mit einer Kopfbewegung ins Abteil.
„Wir auch“, antwortete Sebastian ebenso leise.
Hans-Peter grinste wieder und nickte nachdrücklich.
Unbehelligt erreichten sie dann Königswusterhausen. Endlich in Berlin fanden sie alle Straßen in den Westen gesperrt und von DDR-Grenzposten bewacht. Sie erkundigten sich gleich dort, wie sie nach Westberlin gelangen könnten.
„Was wollen Sie denn da?“ Der junge Grenzer betrachtete sie abschätzend.
„Wir müßten ja eigentlich mit der S-Bahn nach Potsdam durchfahren, wollten aber noch meinen Onkel drüben besuchen“, sagte Sebastian.
„Nach Potsdam können Sie ja, aber der Zug hält nicht in Westberlin.“
„Das haben wir uns schon gedacht. Aber wie kommen wir jetzt einfach so rüber?“ fragte Hans-Peter, „also ohne Bahn.“
„Wo kommen Sie denn her?“
„Aus der Senftenberger Gegend.“
„Sie brauchen dazu einen Passierschein, einen für Bürger der DDR.“
„Und wo gibt’s den?“
„Nur in Treptow, im Bezirkspräsidium. Aber Besuch eines Onkels“, der Grenzer lachte kurz auf und schüttelte den Kopf, „dafür gibt’s nichts. Sie können’s ja versuchen“, sagte er dann, als er in die etwas ratlosen Gesichter der beiden sah.
In Treptow machten sie die Passierscheinstelle schon von weitem aus. Eine über fünfzig Meter lange Menschenschlange war einfach nicht zu übersehen.
„Ja, ja, für DDR-Bürger“, erfuhren sie von Umstehenden. Ostberliner, hörten sie, hätten für jeden Bezirk eine eigene Ausgabestelle.
„Wie schnell geht denn das hier voran?“ wollte Sebastian wissen.
Ziemlich schnell, erfuhren sie, fast alles würde abgelehnt. Die beiden wandten sich enttäuscht ab. „Dann brauchen wir mit einem Onkel gar nicht erst aufzuwarten, besser mit deiner Schwester“, dazu stieß Sebastian den ausgestreckten Zeigefinger gegen Hans-Peters Brust. „Sie will wieder nach Hause, ganz klar und wir wollen sie abholen.“
„Meinst du wirklich?“
„Na, sag mal! Wir wollen ihr natürlich beim Transport ihrer Sachen helfen und außerdem hat sie schon jetzt die Nase von den kapitalistischen Verhältnissen dort drüben gestrichen voll.“
Hans-Peter nickte. „Das könnte vielleicht klappen.“
Und so reihten sie sich doch wieder in die Warteschlange ein und wurden schon bei der Vorprüfung ihres Anliegens am Eingang ebenso abgewiesen wie fast alle anderen. Sie kamen nicht einmal dazu ihren Antrag zu begründen. Das empörte schließlich Hans-Peter, doch die Posten dort vor der Türe blieben unbeeindruckt.
In einem Lokal, das sie endlich fanden, berieten sie schließlich bei einem Glas Bier die Lage. „Die wollten überhaupt nichts hören!“ erregte Hans-Peter sich. „Das ist doch eine Sauerei. Nicht mal angehört haben die uns. Also müssen wir anders vorgehen.“
„Müssen wir“, sagte Sebastian. „Dein Vater ist doch uralter Parteigenosse.“
„Ja, stimmt. Wir müssen gleich mit der Tür ins Haus fallen“, sagte Hans-Peter.
„Genau. Paß auf“, und über Sebastians Gesicht zog ein breites Grinsen. „Du weißt ja, unsere Köpenickiaden...Diesmal eine richtige, ganz echte. Wir gehen nämlich direkt ins Ostberliner Polizeipräsidium.“
Hans-Peter nickte eifrig. „Wir wenden uns“, sagte er, „gleich an die Spitze.“
„Natürlich. Und das steht uns auch zu“, erklärte Sebastian. „Schließlich kennt dein Vater Walter Ulbricht höchst persönlich. Das ist ein Freund deines Vaters aus alter Zeit, kapiert?“
Hans-Peter lachte. „Ja natürlich, die sollen Walter Ulbricht sofort anrufen, darauf bestehen wir. Die tun das natürlich nicht, die haben Schiß.“
„Und wir gehen dann einfach nicht weg“, ergänzte Sebastian, „mal sehen, was passiert.“
„Aber wenn die nun wirklich anrufen?“
„Quatsch! So’n kleiner Polizist und Ulbricht anrufen, der darf das gar nicht, darf nicht mal daran denken. Und außerdem“, Sebastian hob die Schultern, „es könnte ja auch stimmen, also das mit deinem Vater und Walter Ulbricht, so was gibt’s doch.“
„Aber dann würden wir doch so’n läppischen Passierschein gar nicht brauchen.“
„Ja, aber darauf kommt so’n kleiner Polizist doch nicht gleich. Wenn der Walter Ulbricht hört, packt ihn doch garantiert das Fracksausen. Der muß uns ja auch nur durchlassen zu der Stelle, die die
Weitere Kostenlose Bücher