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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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verdächtig“, sagte er, „das bleibt hängen. Jetzt muß dein Bruder sich vorsehen und du mußt auch aufpassen.“
    Ich hab’ ja damals nicht daran gedacht, überlegte Sebastian, daß die von der Bahnhofstreppe aus Reden halten und auch nicht daran, daß sie die gleich einsperren würden.
    Dann schippten sie wieder den Schlamm in die Karre. Onkel Jaschek hatte sich ein Stück entfernt auf einen alten Baumstubben gesetzt, damit er vom Gestank möglichst verschont blieb. Bis ins Kreisforstamt war ihm die Stasi also schon nahe gekommen, überlegte Sebastian. Solche Leichtsinnsfehler, sagte er sich, sollte er nicht mehr machen.
    Dieser Cylonka war seinetwegen von Berlin aus in dieses Nest hier beordert worden. Offensichtlich war der Aufstand im Juni den Bonzen doch ziemlich an die Nieren gegangen. Aufgescheucht suchten die jetzt Sündenböcke, Anführer und Aufrührer, um das eigene Versagen zu kaschieren. Auf die Lehrlinge des Kreisforstamts war zum Glück niemand gekommen, das wenigstens habe ich richtig eingeschätzt, sagte er sich. Wer kommt auch auf Waldarbeiterlehrlinge, tumbe Holzhacker?
    Einige Tage später hörten sie von Onkel Jaschek, daß ihr Kulturdirektor wieder nach Berlin abberufen worden sei.
    „Ein Spitzel weniger in Altdöbern“, kommentierte der Werchower außer Hörweite des Haumeisters.
    „Cylonka war’s also wirklich“, murmelte Lehnhard Sebastian zu.
    „Wen wundert das noch“, antwortete der ebenfalls gedämpft.
    „Niemanden“, stimmte auch Stranz zu. „Jeder in Altdöbern wußte doch, daß der überall rumschnüffelte.“
    „Aber warum er das gemacht hat“, meinte Sebastian, „weiß wohl nur der Kreisforstmeister.“ Daß er selbst das sehr genau wußte, verschwieg er natürlich. Die würden hier ganz sicher erstaunt sein, überlegte er und ein Grinsen überflog dabei sein Gesicht, wenn die wüßten, wen die wirklich gesucht haben.
    Mit vereinter Kraft bugsierten sie wieder eine Karre aus dem Morast. Schließlich konnte er es sich nicht verkneifen laut zu sagen: „Ach wie gut, daß niemand weiß, daß ich Rumpelstilzchen heiß’.“
    Lehnhard schüttelte den Kopf und Stranz grinste. „Warum denn Rumpelstilzchen“, fragte Lehnhard, nachdem sie den Schlamm ausgekippt hatten.
    „Ach, nur so“, antwortete Sebastian, „mir ist halt so zumute.“
    „Na ja, es gibt ja so Ohrwürmer“, meinte Stranz und schob die leere Karre wieder in den Morast zurück. Alle drei machten sich daran, sie erneut vollzuschippen, Schaufel für Schaufel. Den dabei aufgewirbelten Gestank nahmen sie längst nicht mehr wahr. Nur jeden Tag am Morgen, wenn sie mit der Arbeit begannen, stieg ihnen der Modergeruch doch noch recht unangenehm in die Nasen. Im Laufe des Tages verlor sich das.
    „Man gewöhnt sich an vieles“, meinte Sebastian, stützte sich auf seine Schaufel und holte tief Luft.

    54.

    An einem Spätnachmittag pfiff Hans-Peter vor Sebastians Haus sein Erkennungssignal. „Schnapp dir dein Rad“, sagte er, als Sebastian vor der Haustür erschien.
    „Wieso, wohin soll’s denn gehen?“
    „Irgendwohin“, antwortete Hans-Peter.
    „In die Kippen?“
    „Auch gut“, beschied der Freund.
    Und Sebastian holte ein wenig verwundert sein Fahrrad aus dem Hausflur. Beide fuhren dann die Thälmannstraße hinab Richtung Ilseberg.
    „Ist irgendwas los?“ fragte Sebastian schließlich, als Hans-Peter schweigend neben ihm herradelte. Es war noch relativ warm und über ihnen spannte sich ein transparentblauer Septemberhimmel.
    „Mein Alter hat sich so komisch“, sagte Hans-Peter.
    „Ja und?“ fragte Sebastian nach einer Weile und sah dazu den neben ihm herfahrenden Freund von der Seite an. Beim steilen Ilseberg-Anstieg fuhren dann beide hintereinander. Sebastians Fahrradkette knackte und krachte wieder gewaltig, als sie schließlich in den Pedalen stehend dem Ende des Anstiegs zustrebten. Ich brauche unbedingt ‘ne neue Kette aus dem Westen, überlegte er. Das ausgeleierte Ding hier kann jederzeit reißen.
    Oben angekommen holten beide tief Luft, traten noch ein paar Mal in die Pedalen und ließen die Räder dann rollen, links und rechts durch jung bewaldetes Tagebaugelände. Nach kurzer Zeit schon bogen sie von der Chaussee links in einen Sandweg ab, durch niedriges Birken-, Erlen- und Kieferngehölz. Der Weg endete an der Abbruchkante hinab zum grünen See. Hans-Peter fuhr voraus und Sebastian fragte sich: Was der bloß hat? Sein Vater ist so komisch… Was soll denn das heißen? Meiner ist

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