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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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stinkenden Schlamm in eine der Schubkarren.
    Drei Mann mußten dann wieder zugreifen, um die nur halb volle Karre über die Bohlen aus dem Morast zu schieben.
    Sebastian, Egon Stranz und Horst Lehnhard waren an einer Karre beschäftigt, jeweils drei andere an den anderen beiden, also vollschippen und durch den Morast raus trecken, während die übrigen den Schlamm zu einem Haufen schaufelten.
    Sebastian fiel auf, daß Lehnhard nicht ganz bei der Sache war, beim Schaufeln öfter mal nur so daneben stand und in den Morast starrte.
    „Was ist denn los“, wollte Sebastian wissen, nachdem er sich das eine Zeitlang angesehen hatte.
    Lehnhard, dessen älterer Bruder im Kreisforstamt als Buchhalter tätig war, sah sich um und trat einen Schritt näher. „Ich darf ja eigentlich nichts sagen, aber ihr haltet die Schnauzen?“
    „Ja, natürlich.“ Stranz und Sebastian nickten. „Wir arbeiten weiter“, erklärte Lehnhard, „wir müssen ja nicht auffallen.“ Und alle drei schaufelten wieder Morast in ihre Karre.
    Lehnhard richtete sich auf, während die beiden anderen weiter schippten. „Weil der Werchower eben von weggefangen geredet hat“, dabei sah er sich wieder um, „also meinen Bruder hatten die am Samstagabend weggefangen.“
    „Was, wer?“ Sebastian richtete sich auf und auch Stranz stützte sich auf seine Schaufel.
    „Na, wer schon?“
    „Und wo und warum?“
    „Vor der Kneipe am Markt. Die haben dort abends Skat gespielt, mein Bruder mit Kollegen. Der Wirt hatte keine Zigaretten. Mein Bruder wollte welche von zu Hause holen, der mußte ja bloß über die Straße. Als er auf den Bürgersteig trat, schoß plötzlich aus dem Dunkeln ein Auto ohne Licht auf ihn zu, ein dunkler EMW, wie er noch erkennen konnte, ehe ihm jemand einen Sack über den Kopf zog und ihn ins Auto stieß. Dort fand er sich in Handschellen wieder. Dann ging es ein paar Mal kreuz und quer durch Altdöbern, ehe sie mit ihm weiterfuhren. Wohin genau, das weiß er bis heute nicht. Von der Fahrzeit her, meint er, daß es Cottbus gewesen sein könnte.“
    „Das is’ ja’n Ding. Und was wollten die genau von ihm?“
    „Die meinten, er sei ein Rädelsführer der Demonstranten in Lübbenau gewesen, damals im Juni. Dort sollen Bahner gestreikt haben.“
    Sebastian umklammerte vor Schreck ganz fest den Griff seiner Schaufel, die er in den Morast gesteckt hatte. Er spürte förmlich, wie ihm kurzzeitig das Blut aus dem Gesicht wich. Zum Glück sahen ihn seine beiden Kollegen gerade nicht an. „Cylonka“, sagte er dann laut, „unser Kulturdirektor.“
    Lehnhard nickte. „Das sagt mein Bruder auch.“
    „Aber wie kommen die gerade auf ihn? Was wollten die denn wissen?“ fragte Sebastian.
    „Na ja, nachdem man ihn fast die ganze Nacht durch die Mangel gedreht hatte wurde er einem Lübbenauer Bahner gegenüber gestellt, den die schon verhaftet hatten. Der hat denen dann gesagt, daß er meinen Bruder nicht kennt. Und da war dann wohl klar, daß er nicht der war, den sie suchen. Gerne wollten die das aber nicht wahr haben. Am nächsten Abend haben sie ihn einem anderen Bahner vorgeführt, der kannte ihn aber auch nicht.
    Anschließend hat man meinem Bruder dann eine schwarze Brille verpaßt und ihn wieder in Handschellen, wahrscheinlich damit er die Brille nicht abnehmen konnte, ins Auto bugsiert. Dann sind die mit ihm nach Altdöbern und dort ein paar Mal im Kreis herumgefahren, bis sie ihn raus gelassen haben. Und er mußte unterschreiben, daß er über die ganze Aktion zu niemandem spricht, auch in der Familie nicht.“
    „Donnerwetter, der Cylonka“, sagte Sebastian. Wieder ein riesiger Fehler, ging es ihm durch den Kopf. Kreisforstamt Senftenberg, das hatte er den Bahnern damals gesagt. „Hat dein Bruder denn erfahren, wie die gerade auf ihn gekommen sind?“
    Lehnhard zuckte mit den Schultern. „Die haben ihm gar nichts gesagt. Außerdem hat er sich auch gar nicht groß was zu fragen getraut.“
    „Na klar, der war bestimmt froh, daß er wieder draußen war“, meinte Stranz.
    Lehnhard nickte. „Bloß ‘ne Matratze, ‘ne Decke und ‘n Kübel zum Sch…“
    „Und keine Entschuldigung?“ wollte Stranz wissen.
    „Wo denkst denn du hin“, sagte Lehnhard, „die und sich entschuldigen! Viel eher konnte mein Bruder froh sein, daß die ihn nicht auch gleich da behalten haben. Wenn die wollen, finden die nämlich immer was. Allein ein Verdacht reicht ja manchmal schon.“
    Stranz stimmte zu. „Einmal verdächtig, immer

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