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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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im Hausflur auf den Treppenstufen saßen und rauchten. „Alles glatt, das heißt doch die Sache läuft gut.“
    „Über Weihnachten“, sagte Hans-Peter, „da wird er ja hier bei seinem Vater sein… Oder bei seiner Mutter und den Geschwistern in Westberlin?“ Hans-Peter hob dazu die Schultern.
    „Vielleicht. Glaube ich aber nicht. Wie dem auch sei“, erklärte Sebastian, „weil wir gerade beim Pfarrer sind, wir sollen mal vorbeikommen hat er über meine Schwester bestellen lassen. Er hat da was für uns.“
    Hans-Peter winkte ab. „Du sollst bestimmt mal wieder irgendwo hingehen und Reklame für ihn machen.“
    „Möglich, aber wir sollten da am Abend trotzdem mal aufkreuzen, vielleicht einzeln, das ist möglicherweise besser. Du zuerst und ich dann ‘ne Viertelstunde später. Wir müssen ja schließlich nicht überall gleich im Doppelpack auftreten.“
    Beim Pfarrer im verhängten Verandazimmer erfuhren sie dann, daß sie Parteimitglieder werden sollten. „Im Kurmärker“, sagte Pfarrer Kunzmann, „ist eine Mitgliederversammlung des CDU-Ortsverbands und ich bin als Mitglied eingeladen.“ Dazu wies er auf eine Postkarte, die auf dem Couchtisch lag. „Ich bin an diesem Tag aber bei der Kirchenleitung, bin also in Berlin.“ Dazu sah er die beiden Freunde, die ihm gegenüber saßen, an. „Ihr werdet ja beide“, sagte er, „in allernächster Zeit achtzehn, wenn ich recht unterrichtet bin.“
    Beide nickten. „Nächsten Monat“, ließ Hans-Peter sich hören.
    „Ich bin schon achtzehn“, sagte Sebastian.
    „Ich würde euch ein Schreiben mitgeben und euch als meine Vertreter benennen.“
    „Partei? Nee“, erklärte Sebastian mit abweisender Handbewegung.
    Hans-Peter grinste. „Warum denn nicht“, sagte er. „Ich finde das interessant.“ Ein bißchen war es für ihn auch eine Genugtuung, daß nicht nur wieder Sebastian vom Pfarrer etwas zugetraut wurde. Er war jetzt mit dabei.
    „Es geht hier doch gar nicht um irgendwelche Überzeugungen“, wandte der Pfarrer sich an Sebastian. „Ich denke doch, so albern seid ihr nicht“, fügte er hinzu.
    Jetzt grinste Sebastian. „Ich meine doch“, sagte er, „es heißt deine Rede sei ja, ja und nein, nein …“
    Der Pfarrer lachte. „Ihr habt euch aber mit einem Gegner eingelassen, dem diese Maximen nichts gelten. Also müßt ihr, wenigstens dann und wann, mit dessen Waffen kämpfen, auch wenn sie euch abstoßend erscheinen.“
    „Aber wozu? Damit würden wir bloß wieder auffallen, wenn wir beide bei der CDU auftauchen.“ Und Sebastian lehnte sich im Sessel zurück.
    Pfarrer Kunzmann schüttelte den Kopf. „Ihr werdet sowieso beobachtet, die meisten Menschen stehen hier unter Beobachtung, ganz harmlose Leute. Und da ist es dann oft richtiger, statt sich zu verstecken in die Offensive zu gehen.“
    „Dann kann ich ja gleich in die SED eintreten“, murrte Sebastian. „Sie sind schließlich eine öffentliche Person“, wandte er sich an den Pfarrer, „aber wir sind doch eher das direkte Gegenteil.“
    Pfarrer Kunzmann bewegte verneinend den Kopf. „Wenn man sowieso unter Beobachtung steht“, sagte er, „muß man sich nicht verstecken wollen. Deine ganze Familie, junger Freund“, und dazu sah er Sebastian lächelnd an, „ist denen nicht geheuer. Das siehst du schon an deinem Bruder und an dir selbst.“
    „Und Sie meinen“, sagte Sebastian, „die CDU als bürgerliche Partei…“
    „Ach, Papperlapapp“, der Pfarrer winkte ab, „bürgerlich …“, dazu lachte er kurz. „Nichts als Potemkinsche Dörfer. CDU, LDPD, Bauernpartei, NDPD …“
    „Alles SED“, warf Sebastian ein.
    Der Pfarrer nickte. „Richtig. Hier heißt sie dann Nationale Front.“
    „Kann ja sein“, sagte Sebastian, „daß manche wirklich noch glauben, daß sie CDU-Mitglieder sind, andere wieder, daß sie der LDPD angehören. Aber wir wissen doch, was für’n Quatsch das ist.“
    „Du bist ja ein richtiger Schlaumeier“, sagte der Pfarrer und lachte laut dazu. „Aber auf Orts- und Kreisebene“, fuhr er dann fort, „täuschen diese kleineren Parteien tatsächlich ein bißchen Selbständigkeit und Opposition vor. Potemkinsche Dörfer eben, das ist von der SED so gewollt. Und Kommunismus, wir sind ja jetzt im Übergang zum Kommunismus, wenn wir dem Spitzbart glauben wollen, ist in Wirklichkeit doch nur die totale Perversion einer abstrakten Idee.“
    „Diese Definition muß ich mir merken“, sagte Sebastian. „Und überall im Ostblock“, fuhr er fort,

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