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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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der, „wenn sie bei der Stasi wäre, dann würden wir längst nicht mehr hier sitzen.“
    Sebastian nickte. „Aber warum bist du dann so unsicher? Hat Irene deiner Mutter was erzählt?“
    „Woher soll ich das wissen?“
    „Na, wenn’s einer wissen müßte, dann doch du. Hat dein Vater Irene erwähnt?“
    „Nee, hat er nicht.“
    „Hm, vielleicht war’s wirklich nur Gerede. Möglich auch, daß die uns erstmal bloß beobachten. Ein beschissenes Gefühl. Sieh mal zu, ob du da irgendwas rauskriegst. Würde denn dein Vater uns hochgehen lassen?“
    „Nein, bestimmt nicht, aber eine blöde Situation für ihn, das wär’s schon.“
    „Meinst du, daß er uns vielleicht warnen würde? Wir müßten dann nämlich Knall auf Fall abhauen.“
    „Könnte schon sein“, sagte Hans-Peter.
    „Aber andernfalls“, fuhr Sebastian fort, „stell dir mal vor du arbeitest für den Klassenfeind und dein Vater wäre an deiner Verhaftung schuld. Zwölf, fünfzehn Jahre Knast für seinen Sohn, wie würde er das finden?“
    „Das würde ihn schon wurmen.“
    „Wurmen? Also dein Schicksal wäre ihm wurscht?“
    „Na, das nicht. Aber eine Zwickmühle wär’s schon.“
    „Na gut, vielleicht machen wir uns auch bloß verrückt.“
    Hans-Peter stimmte zu und beide blickten in die Weite auf die gegenüberliegende Abbruchkante. Dort in der Ferne hielt gerade winzig wie ein Spielzeug eine Grubenbahn. Ebenso winzige Leute kippten die Loren eine nach der anderen ab und der Abraum stäubte in die Tiefe. Wenn die so die Senke mit dem See dort unten ausfüllen wollen, ging es Hans-Peter durch den Kopf, brauchen die dazu hundert Jahre. „Du hast recht“, sagte er dann, „machen wir uns nicht verrückt. Ich hab’ mich auch nur gewundert, warum mein Alter mich so komisch gefragt hat.“
    „Das war aber zu erwarten, daß du dir irgendwann dazu was ausdenken mußt.“
    „Schon richtig, aber verunsichert hat’s mich trotzdem ein bißchen.“

    55.

    Die alten Ahornbäume der Thälmannstraße zeigten bereits einzelne gelbe und rote Blätter und wenn es auch noch schöne Tage gab, die Wärme des Sommers war dahin. Sebastian fuhr wie immer in den Wald, Holzeinschlag war wieder angesagt. Manchmal ging’s aber auch ins Büro seines Revierleiters. Die Kühle des Morgens wich tagsüber noch spätsommerlichen Temperaturen, so daß man den nahen Herbst kaum glauben wollte und auch die kürzeren Tage, zumindest um die Mittagszeit ganz gut ignorieren konnte.
    Noch schwitzten Sebastian und seine Kollegen, wobei ihnen aber doch der unaufhaltsam heranrückende Winter vor Augen stand. Sebastian tröstete sich damit, daß das alles für ihn bald ein Ende haben würde, diente es ihm doch bloß noch zur Tarnung. Irgendwas mußte er ja tun, um nicht aufzufallen. Ähnlich dachte auch Hans-Peter, aber über Schulaufgaben spottete er, Klassenarbeiten ignorierte er bereits und glänzte immer häufiger durch Abwesenheit. Dabei schrieb er sich selbst die Entschuldigungen. Erste Anfragen der Schule trafen bei seinen Eltern ein.
    Freund Sebastian machte ein bedenkliches Gesicht, als er davon hörte.
    „Menschenskind“, sagte er, „du bist verrückt. Nicht bloß deine Eltern werden sich fragen, was mit dir los ist. Mich kotzt das ja auch alles an, das kannst du mir glauben“, fügte er hinzu. „Und wenn ich’s mal nicht so ganz ernst nehme mit der Arbeit, dann kennen die das schon von mir. Damit falle ich nicht weiter auf. Aber du“, hielt er dem Freund vor, „du kriegst doch deine Zeit hier in der Penne, egal was für’n Unsinn die euch dort auch eintrichtern wollen, drüben angerechnet.“
    „Also mit mir nicht!“ protestierte Hans-Peter, „nein, Schule kommt für mich auch drüben nicht mehr in Frage.“
    „Völlig deine Sache“, sagte Sebastian. „Aber hier, was willst du denn hier tun, wenn nicht Schule?“
    „Na was schon?“ sagte der Freund. „Die Penne natürlich, was bleibt mir denn sonst?“
    „Ganz richtig“, bestätigte Sebastian, „ich denke auch, wir sollten mindestens noch ein Jahr durchhalten.“
    Hans-Peter fuhr danach wieder regelmäßig zur Schule und Sebastian radelte, wenn auch weiterhin sachte verunsichert, jeden Morgen in den Wald.

    56.

    Von Totila war lange nichts mehr zu hören gewesen. Vom Pfarrer erfuhren sie dann aber, daß es ihm gut ginge, das Seminar anstrengend sei, sonst aber alles glatt liefe.
    „Da kann Pi-Pa-Po ja zufrieden sein“, meinte Sebastian als Hans-Peter ihn aufgesucht hatte und sie wieder mal

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