Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
schwarzen Anzug drückte einen Klingelknopf. Einer der Ledermäntel betrat jetzt, jedoch ohne den Mantel, das Zimmer. „Zuführen“, sagte der hinterm Schreibtisch nur und wies mit einer Kopfbewegung auf Sebastian. Der Major verließ den Raum. „Stehen Sie auf! Hände auf den Rücken.“
Sebastian tat wie geheißen, dabei grübelte er unablässig darüber nach, wie die von Hoffmann wissen konnten. Daß das mit den Vernehmungen nun weitergehen würde, war ihm klar. Seine Aufgabe aber mußte jetzt darin bestehen herauszufinden, was denen überhaupt schon bekannt war. Seine Freiheit sah er bereits in weite Ferne gerückt. Sie hatten aber doch keine Fehler gemacht. Nein, sagte er sich, nein, an ihnen konnte es nicht gelegen haben.
63.
Totila kam von einem Kinobesuch zurück. Er hatte mit einer Bekannten in Potsdam eine Abendvorstellung besucht. Nachdem er das junge Mädchen zu seiner Haustür begleitet hatte, machte er sich mit raschen Schritten auf den Weg ins Internat. Es war um diese Jahreszeit natürlich stockdunkel und im spärlichen Lichtschein weniger Straßenlaternen war ein ganz feiner Nieselregen zu erkennen, der sich wie feuchter Staub auf sein Gesicht und den Mantel setzte.
Seine Uhr zeigte im Laternenlicht, als er sie dicht vor die Augen hielt, genau zwölf Minuten nach zweiundzwanzig Uhr. Gegen zweiundzwanzig Uhr dreißig würde er im Internat sein, wenn er sich beeilte. Weil er mit seinen neunzehn Jahren nicht mehr zu den jüngeren Seminaristen zählte, galt für ihn die zweiundzwanzig Uhr-Sperrstunde nicht. Aber am nächsten Tag standen ihm mit einer Lateinklausur anstrengende Stunden bevor.
Sein gutes Jahr Schullatein hatte ihm in diesem Oberseminar keinen wirklichen Vorteil gebracht, wie er das zu Anfang noch geglaubt hatte. Er mußte, da er in den bereits laufenden Stufenunterricht eingestiegen war, aufpassen den Anschluß nicht zu verlieren, denn gerade der Lateinunterricht lief in diesem kirchlichen Seminar auf einem völlig anderen Niveau ab. So ging er in solche Überlegungen vertieft auf die Straßenbrücke nach Hermannswerder zu und bemerkte nicht den im Schlagschatten zwischen zwei Laternen geparkten dunklen EMW vor der Brücke. Er wußte auch nicht, daß hinter ihm zwei Männer aus dem Schatten getreten waren, um ihm einen möglichen Fluchtweg abzuschneiden.
Totila ging mit gesenktem Kopf bis zur Höhe des am Straßenrand geparkten Autos. Er sah erst überrascht auf, als von zwei in dunkle Mäntel gehüllten Männern neben ihm nach seinem Namen gefragt wurde. Als er stehen blieb und sie verwundert ansah erklärte einer, daß er es mit dem Staatssekretariat für Staatssicherheit zu tun habe. Er müsse zu einer Befragung mitkommen, dazu wies er auf den im Dunkeln parkenden Wagen und beide eskortierten ihn zum hinteren Einstieg.
Dort im Auto stülpten sie ihm rasch einen Sack über den Kopf und legten ihm Handschellen an. Nachdem sie ihn eine ganze Zeit lang kreuz und quer durch Potsdam gefahren hatten, begann eine stundenlange Fahrt über die Autobahn. Totila schloß das aus der gleichmäßig schnellen Fahrt auf gerader Strecke. Wohin man ihn bringen würde, konnte er nur raten. Nach etwa einer Stunde wurde ihm klar, nicht nach Berlin, wahrscheinlich nach Cottbus. Einen Reim mochte er sich jedoch auf nichts machen. Allenfalls konnte er sich ein Leck im Westen vorstellen. Dann mußten die beiden in Großräschen aber auch schon geschnappt worden sein … Und sein Vater? Den Gedanken an ihn schob er erst einmal von sich. Der Überfall vor der Brücke und das Überstülpen dieses groben Sackes wie bei einem zum Tode Verurteilten vor der Hinrichtung hatte bei ihm schon so etwas wie einen leichten Schock ausgelöst, der sein Denken und Fühlen blockierte, also auch die Angst ausblendete. Gleichgültigkeit machte sich in ihm breit. Aus der Nacht war der Schlag gekommen, aus einem Hinterhalt. Wogegen sollte er ankämpfen?
64.
In einer schwarzen EMW-Limousine wurde Hans-Peter Sasse von zu Hause abgeholt. Dort hatte er auf Weisung der Stasi einige Tage gewissermaßen in Hausarrest abzuwarten gehabt. Man brachte ihn wieder nach Senftenberg. Mit den Stasimännern im Auto ein Gespräch zu versuchen erwies sich als sinnlos. Er hätte aber doch gerne gewußt, was ihm bevorstand.
Ganz sicher waren Sebastian und Totila inzwischen festgenommen worden. Er fürchtete sich schon ein wenig davor Sebastian irgendwie zu begegnen, ihm möglicherweise gegenübergestellt zu werden. Auch wenn der nicht
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