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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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Auftrag. Und so kam Hans-Peter Sasse sich eben doch schon mehr wie ein Mitarbeiter vor.
    Ganz anders Freund Sebastian, der nun dort im Keller dieser Stasivilla saß und schon etwas verwirrt darüber nachdachte, wie und woher die was von Hoffmann wissen konnten und nicht ahnte, daß Hans-Peter im selben Hause mit der Stasi gerade seine weitere Täuschung verabredet hatte.
    „Stehen Sie auf!“ wurde er schließlich von einem der Ledermäntel angeherrscht, der dann hinter ihn trat, um ihm so etwas wie eine Schweißerbrille mit geschwärzten Gläsern überzustülpen. Als er danach ein paar Mal die Stirn krauste, verschob die Brille sich leicht, so daß er, wenn er den Kopf etwas hob, ein wenig darunter hindurchsehen konnte. Dann führte man ihn die Treppe hinauf, dabei stieß er absichtlich gegen die Stufen. Oben in der Diele erblickte er eine Reinemachefrau, die gerade den Linoleumboden polierte und scheu zu ihm aufsah, als er, wie beim Blindekuhspiel, an ihr vorbeigeschubst wurde.
    Dann ging es hinter der Villa quer über den Hof und Sebastian lief absichtlich gegen den geparkten schwarzen EMW, ehe man ihn zurückhalten konnte. Auf dem hinteren Autositz mußte er seinen rechten Arm unter dem rechten Oberschenkel hindurchstrecken. Dann wurden ihm beide Handgelenke zusammengeschlossen. Wie ein Geschenkpaket, ging es ihm durch den Kopf.
    Nach einer Weile des Wartens hörte er das Schlurfen tastender Schritte auf dem Hof. Unter der Brille hindurch sah er, als er den Kopf ein wenig hob, Freund Sasse mit genauso einer Brille sich unsicher dem Wagen nähern. Dann fesselten die Ledermäntel den Freund in gleicher Weise auf dem Rücksitz des Wagens, nachdem sich zuvor einer der Bewacher zwischen die beiden gesetzt hatte. Sebastian wunderte sich schon nicht mehr darüber, seinen Freund und politischen Mitstreiter gefangen im selben Auto zu wissen. Da ist, wurde ihm klar, ganz fatal was schief gelaufen, nur wo und wie?

    65.

    Der Stasi-EMW fuhr dann, absichtlich wie Sebastian meinte, kreuz und quer durch die Stadt und als er von der Hauptstraße nach rechts abbog und am Bahnhof vorüberfuhr wurde ihm auch klar, daß es über Sedlitz nach Cottbus ging. Hinter Sedlitz begannen die Wälder, die sich im Dunst abgestuft wie Kulissen ineinanderschoben, die näheren dunkel, die entfernteren heller, wie er es durch den schmalen Schlitz unter der Brille hindurch erkennen konnte, dazwischen Wiesen, aus denen Nebel aufstieg.
    Er würde seine Hand, stellte er fest, wenn er sie ganz zusammenkrümmte, aus der Fesselung befreien können. Falls er sich bei hundertzwanzig Sachen aus dem fahrenden Wagen fallen ließe, würde er sich sehr wahrscheinlich schwer verletzen. Und dann in die Wälder? Rennen konnte er gut, vorausgesetzt er wäre nicht zu stark lädiert. Die drei Ledermäntel könnten ihn auch mit ihren Pistolen bestimmt nicht mehr erreichen. Die sowieso schon drangsalierten Bauern aus der Gegend würden sich allerdings kaum getrauen ihn zu verstecken und konnten ihn ebenso gut aus reiner Angst verraten.
    Es war klar, die lockere Handschelle war keine Chance zu entkommen und so verwarf er den Gedanken daran. Eine andere Möglichkeit würde sich wohl kaum noch bieten. Jetzt kam es darauf an zu wissen, was die wußten und vor allem, woher sie es wußten, um dann alles zu verwirren und möglichst ins Absurde zu führen, also unglaubwürdig zu machen. Offen blieb noch, welche Art der Folter sie vielleicht erwarten würde, wenigstens nach dem, was Hoffmann ihnen erzählt hatte. Wichtig war hier vor allem auch, daß Hans-Peter sich ebenso verhielt, nämlich nichts von sich aus zu erzählen, wie sie es für den Fall der Fälle ja auch ausgemacht hatten. Er mußte sich nun auf den Freund verlassen.

    Sie erreichten dann auch bald Cottbus, Sebastian sah eine Straßenbahn vorbeirumpeln, ein paar Autos, Leute auf Fahrrädern und auf den Bürgersteigen, die den Wagen, in dem sie fuhren gar nicht beachteten. Schließlich rollte der EMW über eine Brücke – die Spree, ging es Sebastian durch den Kopf – und stoppte dann auch schon vor einem breiten dunklen Tor. Der Fahrer stieg aus und drückte einen kleinen Klingelknopf in der Wand. Ein Uniformierter öffnete die Flügel des Tores nach innen, der Wagen fuhr hindurch und hielt in einem engen Hof. Sebastian sah durch seinen Sehschlitz graue Wände ringsum aufragen, in denen er in Reihen neben- und übereinander kleine vergitterte Fenster erblickte.
    Die Ledermantelträger verließen den Wagen,

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