Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
sagte der Major ironisch und nickte Sebastian zu, „Sie haben zusammen nur ein paar Bier getrunken und sich angeregt über Filme unterhalten.“
„Ja, richtig“, bestätigte Sebastian, „aber auch über den Krieg und die Teilung, Ost und West und so …“
„Und dann“, vernahm er wieder den Major, „dann sind Sie mit dem Pfarrer so einfach bloß wieder nach Hause gefahren.“
„Doch nicht an diesem Tag“, warf Sebastian ein. „Das mit dem Pfarrer war ein ganz anderer Tag, da haben wir uns bloß vor dem Konsistorium getroffen.“
„Aber Ihr Freund Sasse sagt, daß sie beide zusammen Pfarrer Kunzmann am Konsistorium abgeholt haben, um ihn mit Hoffmann bekannt zu machen.“
„Das ist Unsinn, der bringt da was durcheinander.“
„Gegenüberstellung!“ bestimmte der Hauptmann abrupt.
Der Zivilist und der Major nickten zustimmend.
Der Hauptmann zog sich das Telefon über den Schreibtisch, nahm den Hörer ab und drückte einen Knopf. „Den Sasse“, sagte er. „Ja gut, zu Obermeier. Jetzt gleich.“ Dann legte er den Hörer wieder in die Gabel. „Das wird sich ja klären lassen“, und er gab Sebastian mit der Hand ein Zeichen aufzustehen. „Na los, los, kommen Sie schon.“ Alle verließen den Raum, um zwei Türen weiter einen anderen, gleich karg eingerichteten zu betreten. Dort sah Sebastian dann seinen Freund wieder, der neben dem Schreibtisch stand, an dem ein jüngerer Unterleutnant gesessen hatte, der aufgestanden war als die Truppe das Zimmer betrat. Sebastian bekam wieder den Schemel zugewiesen.
„Und nun zur Klärung der Reihe nach“, wandte sich der Major an Hans-Peter. „Wie war das nun mit dem Pfarrer und Hoffmann?“
Sebastian stellte erstaunt fest, daß vor dem Fenster kein Rollo hing. Von draußen blickte ihn die Nacht an. Er erkannte dort ein paar weiter entfernte Lichter. Es mußten wohl schon die frühen Morgenstunden sein.
„Der Pfarrer hatte eine Dienstfahrt ins Konsistorium vor“, hörte er Hans-Peter sagen. „Vor so’ner Fahrt nach Westberlin hatten wir dann ein Treffen mit ihm und Hoffmann vereinbart.“
„Was haben Sie sich dabei gedacht?“
„Na, daß der Pfarrer mit Hoffmann zusammenarbeiten sollte.“
„So wie sein Sohn?“
„Ja.“
„Nur gut“, erklärte der Major, „daß diese Schlangengrube endlich ausgehoben wird.“
Als der Freund einmal zu ihm hinüberblickte, sah Sebastian ihn fest an und schüttelte unmerklich den Kopf, doch Hans-Peter blickte nur entschlossen zurück. Warum? überlegte Sebastian, ist doch ganz unnötig den Pfarrer mit reinzuziehen.
Danach schilderte Hans-Peter den Ablauf des Treffens.
Dort mischte Sebastian sich dann ein, mit der Absicht die Aussagen des Freundes zumindest in Frage zu stellen. Ohne Bestätigung, das hoffte er, war eine einzelne Aussage nicht viel wert, auch wenn Stasi und Gerichte sich sonst keineswegs darum kümmerten, gegenüber der Kirche, glaubte und hoffte Sebastian, würde man sich darüber doch nicht so leicht hinwegsetzen können. Und Totila scheinen sie auch schon geschnappt zu haben. Was sollten dann Hans-Peters Bemerkungen im EMW unten im Hof, Totila sei gewarnt und längst im Westen, man könne daher alles auf ihn schieben. Wer sollte den denn gewarnt haben? Sebastians Versuche, die Aussagen Hans-Peters hinsichtlich des Pfarrers in Frage zu stellen, zeigten Wirkung, wenn er immer wieder einwarf, das war nicht so und so und so… sondern so und so und so… Dabei ließ er einen Teil der Aussagen des Freundes gelten, während er den wesentlichen Teil als Verwechslung oder Irrtum hinstellte, obwohl der Freund verbissen dagegen ankämpfte. Sebastian verstand einfach nicht, weshalb der nicht darauf einstieg. Alles auf Kunzmann schieben…? Hatte der womöglich den Pfarrer und gar nicht Totila gemeint? Hatte der Stasifahrer vielleicht deshalb das Auto kurz verlassen?
„Wer lügt hier eigentlich?“ fragte schließlich irritiert der Hauptmann und sah erst Hans-Peter und dann Sebastian an. Diese Gegenüberstellung führte denn auch zu nichts und wurde beendet. Der Stasi diesen möglichen Triumph gegen die Kirche vermasselt zu haben, war natürlich nicht gerade dazu angetan, die Vernehmer ihm gegenüber freundlicher zu stimmen. Derselbe junge Läufer, der Sebastian zum Verhör gebracht hatte, holte ihn auch wieder ab und schloß ihn, nachdem sie wieder über Treppen, durch Gittertüren und einige Gänge gelaufen waren, in eine völlig leere Zelle ein, in deren einer Ecke lediglich einige Matratzen
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