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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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Bäume, den dumpfen Aufschlag und das Schmettern der Äxte beim Ausasten und Schlagen der Fallkerben. Das ging so mit einigen kurzen Rauchpausen und der Mittagspause, in der die restlichen Brote verzehrt wurden, bis gegen drei Uhr nachmittags. Bei verhangenem Himmel machten sich um diese Zeit bereits erste Anzeichen anbrechender Dämmerung bemerkbar. Dann quälte sich jeder mit seinem Fahrrad möglichst auf dem selben Pfad zurück, der schon auf dem Hinweg getreten worden war.
    Sebastian hatte mit seinem ehemaligen Klassenkameraden Wolfgang Nuglisch den gleichen Weg. Auf der Großräschen-Altdöberner Chaussee konnten sie dann wieder ihre Räder besteigen. „Das hier mein Leben lang, bis ich alt bin, kann ich mir gar nicht vorstellen“, sagte Sebastian.
    „Es ist ja nicht immer nur Winter“, meinte Nuglisch grinsend.
    „Als Trost den Wandel der Jahreszeiten, das bringt ja auch nichts. Kannst denn du dir das vorstellen, jeden Tag Bäume fällen, bis du Rentner wirst?“
    „Na, jeden Tag Ziegel in Brennöfen karren ist noch schlimmer.“
    „Ja, ja, als Presser in der Brikettfabrik schuften oder im Tagebau malochen, was sind denn das für Alternativen?“
    „Was willst du denn, Oberförster oder Forstmeister werden?“
    „Nichts von beidem. Aber deine Chancen sehen auch nicht besser aus, Sproß eines Restaurant- und Bäckereibesitzers.“
    „Mein Alter ist Ingenieur“, erklärte Nuglisch nachdrücklich.
    „Na gut, den brauchte man vielleicht noch, aber einstiger Panzerkommandant in einer SS-Brigade …? Da muß das Söhnchen schon mehr als nur Linientreue beweisen. Ansonsten“, sagte Sebastian, „schaffst du es allenfalls zum Haumeister. Und vielleicht trittst du dann später mal in Onkel Jascheks große Fußstapfen.“
    „He!“ Wolfgang Nuglisch deutete mit dem Fahrrad ein Rammanöver an, und Sebastian spurtete in einer Ausweichbewegung davon. „Ein Onkel Jaschek“, rief er und schüttelte sich vor Lachen, so daß er fast in den zugeschneiten Chausseegraben gefahren wäre. „Das kann ich mir so richtig vorstellen, Onkel Wolle Jaschek. Nee, also wirklich, ehe du Förster wirst, geht eine Kuh durchs Nadelöhr.“
    „Kamel“, sagte Nuglisch, der jetzt wieder neben ihm fuhr.
    „Wieso Kamel?“
    „Fühlst du dich angesprochen?“
    „Ganz und gar nicht. Kamele gibt’s hier nicht, wir haben hier nur Kühe.“
    „Kühe, na gut, aber bist du sicher, daß es hier Nadeln gibt?“ Beide lachten.
    „Ich haue sowieso bald ab“, sagte Sebastian und schwenkte dazu den Arm in Richtung Westen. „Das mußt du aber nicht jedem auf die Nase binden.“ Sie rollten auf ihren Rädern nebeneinander her in eine langgezogene Senke hinein. Der in der letzten Nacht gefallene Schnee war inzwischen glattgefahren, nur an den Rändern der Chaussee lag er noch hoch und unberührt.
    „Natürlich nicht“, sagte Nuglisch, „aber wahrscheinlich hast du recht. Man müßte sich halt entscheiden.“
    „Hast du im Westen Verwandte?“
    „Ja“, sagte Nuglisch, „schon, aber darauf würde ich mich nicht gerne verlassen. Da ist ein Onkel in Wiesbaden“, zählte er auf, „und ein viel älterer Cousin in Hamburg. In Heidelberg ist noch jemand und in Freiburg...Nur, was sollte ich im Westen machen? Das ist dort auch nicht einfach, schreiben uns Verwandte jedenfalls.“
    „Vielleicht erstmal ein paar Jahre zur Schule gehen“, schlug Sebastian vor, „dann findet sich schon was. Oder würdest du auch dort partout Förster werden wollen?“
    „Warum nicht, wenn es möglich wäre. Aber ich glaube, daß meine Alten nicht gerade begeistert wären, wenn ich abhauen wollte.
    „Aber wenn Verwandte dich dort aufnehmen würden …?“
    „Weiß ich alles nicht“, und Nuglisch schüttelte dazu energisch den Kopf.
    Die frühe Dämmerung hatte inzwischen zugenommen, nur der Schnee täuschte noch etwas Helligkeit vor. Über eine funktionierende Lampe am Fahrrad verfügte nur Kollege Nuglisch. Der Autoverkehr auf der Chaussee war zwar relativ spärlich, doch meinten beide besser hintereinander fahren zu sollen. Nuglisch mit Licht voraus, Sebastian hinterher. Ein dickes Ochsenauge am Schutzblech mußte den von rückwärts kommenden Verkehr warnend absichern. Die alte Fahrradlampe hatte Sebastian nur zum Schein montiert. Lampen und Dynamos gab es halt nirgendwo zu kaufen, dennoch waren sie Vorschrift. Polizei durfte ihn so, im Lichtschatten seines Kollegen fahrend, nicht erwischen. Verkehrsschulungen hatte man ihm schon übergebraten. Keine

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