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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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so über ein begrenztes Maß an Freiheit. Mit der Fauna des Waldes wie dem Wild hatte er sowieso nichts mehr zu tun. Schließlich durfte er nicht mal eine Waffe tragen. Außerdem hatte man Sebastian seitens der Forstverwaltung bereits zu verstehen gegeben, daß er so bald mit einem Forstschulbesuch nicht würde rechnen können. So bald? Da ließ man besser gleich alle Hoffnung fahren. Natürlich, es würde auch noch spätere Möglichkeiten geben. Er kannte diese: Mehrfacher Waldarbeiteraktivist zum Beispiel oder das Hervortun bei den wöchentlichen innerbetrieblichen Schulungen im Kreisforstamt, zu denen neben den Förstern und Verwaltungsangestellten ja auch die Lehrlinge schon einbestellt wurden. Er könnte in der „Gesellschaft für Sport und Technik“ durch besondere politische Linientreue glänzen oder die lahmende FDJ-Betriebsgruppe Forst durch persönliche Übernahme von Ehrenämtern auf Trab bringen, um dann nach einiger Zeit eine SED-Kandidatur anzustreben.
    Sebastian geriet auf seinem Weg durch den Schnee schon bald ins Schwitzen. Er kam nur mühsam voran, als er nun auch noch eine ganze Strecke quer durch etwas niedrigeres Gehölz mußte. Um so unangenehmer empfand er die Ladung Schnee, die ihm aus den Zweigen ins Genick fiel und wässrig kalt den Rücken hinabrann. „Mist!“ schimpfte er, stieß das Rad in den Schnee, hob die Schultern und wischte sich mit der bloßen Hand die kalte Ladung aus dem Kragen. Das Weiß des Schnees hob sich fast unwirklich gegen einen tiefgrauen Himmel ab. Sebastian nahm die Querstange des Rades wieder auf die Schulter. So ganz richtig hell wird es heute auch nicht, sagte er sich. Wenn er stehen blieb, war um ihn her ein großes Schweigen. Nur zwei, drei verlorene Vogellaute verstärkten eher noch die Stille. Die Welt, schien es, hatte sich zusammengezogen um diesen Platz zwischen halbhohen Kiefern, auf dem er stand. Kein Hauch bewegte die kalte Luft. Und wenn er weiterging, knirschte übermäßig laut, wie ihm schien, jeder Schritt und störte die fühlbare Ruhe dieses dahindämmernden Tages. Ihn überkam das Empfinden der Einmaligkeit jeder Sekunde, jedes Blickes in diese makellos saubere Zauberwelt, so als dehnte der Augenblick sich wie in einem Märchenland. Alles fremd und schön, ganz neu, ungesehen bisher. Er ging weiter durch die weiße Pracht und der graue Himmel, schien es, hing ganz dicht über ihm, umschloß ihn und diese kleine, ganz neue, ganz einmalige Welt um ihn her, die er nur bewundern konnte. Als dann hohe Kiefern diese Zauberwelt durchstießen, vor ihm in den Himmel ragten und zugleich Menschenstimmen an sein Ohr drangen, kam er dort an, wo er, wie er meinte, beteiligt war an der Vernichtung eines hohen hundertjährigen Kiefernbestandes. Wirtschaftswald nannte sich das. Auch alle wohlbekannten Sorgen und Probleme waren auf einmal wieder da. Dann sah er schon seine Kollegen und den Rauch des Feuers, der ganz gerade dem aus Kiefernzweigen errichteten Unterstand entstieg, hinauf in die Baumkronen. Als er sich mit dem Fahrrad auf der Schulter näherte, wurde er lachend mit Zurufen begrüßt. Doch es waren noch längst nicht alle versammelt. Die frisch gefallenen Schneemassen hatten nicht nur ihm zu schaffen gemacht. So mancher saß verschwitzt, die Mütze neben sich, mit aufgeknöpfter Jacke am Feuer. Und so warteten alle auf die Nachzügler, die dann nach und nach, die Fahrräder geschultert, schimpfend und lachend ebenfalls eintrafen. Einige rösteten inzwischen aufgeklappte Brotscheiben auf Zweige gespießt über dem Feuer. Dazu wurde Tee aus den Verschlußkappen von Thermosflaschen getrunken und alle unterhielten sich über die beschwerlichen Umstände, die sich ergeben hatten, um diesen Platz zu erreichen. Der alte Haumeister, Onkel Jaschek, wie sie ihn nach einem russischen Märchenfilm unter sich nannten, ließ alle Schilderungen und Erklärungen gelten, war er doch selbst, zwar pünktlich, aber eben auch nur mit Mühe dorthin gelangt. Er saß am Feuer und zeigte Verständnis. So sei die Natur nun mal, „macht was sie will, läßt sich einfach nicht verplanen“, wies auf eigene Wegbeschwernisse hin und trank dazu seinen Tee. Durst hatte der mühsame Anmarsch schließlich allen beschert. Verspätet machte man sich zur Arbeit fertig und schnallte die Knieschützer um, da man mit der großen Bügelsäge ja kniend arbeiten mußte. Jeweils zu zweit verteilten die Lehrlinge sich und bald hörte man das Ratschen der Sägen, das Krachen stürzender

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