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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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hinein, wobei er daran dachte, daß der enge Gang überhaupt nicht abgestützt war. Angst überfiel ihn, die Erdmassen über ihm wuchsen bedrohlich. Er wollte zurück, doch zu seinem noch größeren Erschrecken ging das nicht. Hinter ihm hatte sich der Schacht einfach von selbst geschlossen. Er stieß mit den Füßen überall nur noch gegen festen Erdboden und hatte keine andere Wahl als vorwärts zu robben, vorwärts, nur vorwärts, ohne zu wissen, wo dieser dunkle Gang enden und ob er überhaupt enden würde. Es schien ihm, als ob der Schacht abschüssig tiefer und tiefer in die Erde führte. Über ihm nahm die Last des Bodens ständig zu, je weiter er sich voranarbeitete. Er atmete auch schneller. War es Angst oder füllte die feuchte, kühle Luft seine Lungen immer weniger; denn dieses Gefühl hatte er, das Gefühl, nicht mehr richtig durchatmen zu können, obwohl er ganz tief Luft zu holen versuchte. So kroch er, immer kurzatmiger keuchend, vorwärts. Vor die Wahl gestellt, einfach liegen zu bleiben oder weiter zu kriechen, entschloß er sich zu letzterem.
    Und plötzlich, ganz überraschend, führte der Gang direkt ins Freie, aber in was für eine Freiheit! Es war ein schmaler, langer Drahtkäfig, in den der Schacht mündete, und so weit er blicken konnte in diesem farblosen Traumlicht, stießen nur weitere ähnliche Käfige aneinander, menschenleer, eine seltsame Landschaft. Da und dort hob sich manchmal etwas aus dem Boden, sah wie menschliche Rücken aus, es konnten aber auch Tiere sein. Er bekam immer noch keine Luft, hörte sich selbst keuchend atmen und wachte davon auf, grenzenlos erleichtert, in seinem Bett zu liegen, in seinem Zimmer. Es war noch dunkel, die Leuchtziffern des Weckers standen auf halb fünf. Es war ja nur ein Traum, Gott sei Dank. Hans-Peter rollte sich auf die Seite – das muß ich Sebastian erzählen, dachte er noch und schlief wieder ein. Am Morgen überlegte er krampfhaft … dunkel, feucht und kalt unter der Erde … Einsamkeit, Angst … Das war doch im Garten – oder im Ilse-Park? Ach Quatsch, bloß ein Traum, alles Unsinn! Träume sind Schäume, sagte seine Schwester immer.

    8.

    An einem Sonntagmorgen im Februar ging Sebastian mit einer seiner beiden jüngeren Schwestern zum Gottesdienst. Pfarrer Kunzmann wohnte mit Sohn Totila erst seit rund einem Jahr im großen Pfarrhaus neben der Schule, gegenüber der Kirche in Großräschen-Süd. Totilas Mutter, erzählte Sebastians Schwester, sei in der Westberliner evangelischen Kirchenleitung tätig. Pfarrer Kunzmann habe in Belzig bei Berlin Schwierigkeiten mit Behörden, Partei, FDJ und der Stasi bekommen, weil er seine „Junge Gemeinde“ so attraktiv aufgezogen hätte, daß er mit dem Zulauf Jugendlicher die FDJ hatte alt aussehen lassen. Diese organisierte daraufhin kleinere Einschüchterungs- und Störungstrupps, so daß der Pfarrer sich veranlaßt sah, auch entsprechend „aufzurüsten“. Es kam zu kleineren Rivalitäten zwischen „Kugelkreuzbanditen“ und der FDJ, die bereits in der Bevölkerung Aufsehen erregt hatten. Die FDJ marschierte, demonstrierte... allzu viele Blauhemden waren es aber nicht, kaum mehr als auch Kunzmanns „Junge Gemeinde“ auf die Beine stellen konnte.
    Das ging den Genossen zu weit, zumal des Pfarrers Predigten mit politischen Anspielungen überaus reichlich gespickt waren. Das hatte schließlich zu Beschwerden der DDR-Obrigkeit an die Adresse der Berlin-Brandenburgischen Kirchenleitung in der Westberliner Jebenstraße geführt, woraus sich am Ende die Versetzung des streitbaren Pfarrers aus der exponierten Belziger Lage ins abgelegene Großräschen ergab. War man doch seitens der Kirchenleitung nicht darauf aus, die Ostberliner Machthaber zur Wiederaufnahme des Kirchenkampfes zu provozieren. Die Lage und Stimmung in der DDR, das spürte jeder, war sauschlecht. Die Genossen, mit steigenden Flüchtlingszahlen konfrontiert, zum Teil Folge einer massiven Enteignungspolitik, waren äußerst gereizt und verunsichert; zumal auch Bischof Dibelius nicht eben als Leisetreter galt. Partei und FDJ diffamierten die „Jungen Gemeinden“, stempelten sie zu Diversanten- und Spionageorganisationen des „kriegslüsternen US-Imperialismus und dessen westdeutschen Helfershelfern“. Die politische Atmosphäre vibrierte. Das schreckte jedoch Pfarrer Kunzmann nicht, so daß er mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln auch in der Großräschener Verbannung das Löcken wider den Stachel praktizierte.
    Sebastians

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