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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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viele davon wohnen.“
    „Das müssen nicht immer Bonzen sein“, gab Hans-Peter zu bedenken. „Es gibt ja auch Spezialisten.“
    „Na ja, dann eben auch ganz dolle Spezialisten.“
    „Wie bei euch“, erklärte Hans-Peter dem verblüfft dreinschauenden Freund. „Ihr habt ja auch die große Wohnung.“
    „Aber noch aus der Zeit vor fünfundvierzig“, erwiderte Sebastian.
    „So was gilt doch heute nicht mehr“, meinte Hans-Peter. „Aber dein Vater ist Spezialist, das ist es.“
    „Und deiner?“ fragte Sebastian.
    „Ein alter Genosse“, antwortete Hans-Peter grinsend.
    „Na, dann haben wir ja alles zusammen“, sagte Sebastian, „Bonzen und Spezialisten, die richtige Mischung für den Aufbau des Sozialismus. Auf alle Fälle müssen wir vorsichtig sein, auch wenn wir mal ein paar Bier trinken gehen, Kurmärker, Volkshaus oder Drei Linden zu Richard. Aus politischen Gesprächen sollten wir uns auf alle Fälle raushalten. Nicht mal nur wegen der Spitzel überall. Es könnten auch Äußerungen von dir oder mir weitergetragen werden. Also Vorsicht! Es wäre vielleicht nicht mal schlecht“, fuhr er nach kurzer Überlegung fort, „wenn manche denken würden, daß wir Stasi-Spitzel sind.“
    „Wie das? Also wir als Stasi-Spitzel?“ Und Hans-Peter wies mit der Hand auf sich und Sebastian. „Ich weiß nicht“, erklärte er und schüttelte dazu einige Male den Kopf, „ich denke, das wäre mir nicht angenehm.“
    „Ist doch wurscht, du weißt ja, was du denkst und tust, nämlich ein bißchen mehr, als nur eine politische Meinung zu haben, die du vertrauensduselig am Biertisch zum besten geben kannst.“
    „Wir könnten dort ja den Osten auch über den grünen Klee loben.“
    „Quatsch! Das tun Stasi-Spitzel doch nicht.“
    „Ich meine ja auch nur, daß wir uns nun nicht, koste es, was es wolle, als Stasi-Spitzel aufdrängen sollten.“
    „War auch bloß so eine Idee“, sagte Sebastian nach kurzer Pause, „vielleicht nicht mal eine gute. Wir würden wahrscheinlich bloß unnötig auffallen.“
    Hans-Peter stimmte dem erleichtert zu und zündete sich eine Zigarette an. Als Aschenbecher diente den beiden wieder eine zwischen ihnen auf die Treppenstufe plazierte leere Streichholzschachtel. Als auch Sebastian sich eine Zigarette aus Hans-Peters Salem-Packung geangelt und angesteckt hatte rauchten beide eine Weile schweigend. „Ich glaube“, sagte Sebastian schließlich, „daß so’n Stäbchen hier“, dazu rollte er die glimmende Zigarette zwischen den Fingern, „die sechzehn Pfennige nicht wert ist, die das Ding kostet.“
    „Du denkst an Lucky Strike“, und Hans-Peter lachte, „aber die kosten bei Richard unterm Thekentisch fünf Mark das Stück, wie du weißt.“
    „Ja, hier“, und Sebastian winkte ab, „aber nicht im Westen, nämlich fünf Pfennig und eins zu sechs umgerechnet, dreißig Pfennig Ost.“
    „Schon richtig, aber Richard läßt sich als Wirt das Risiko bezahlen. Du weißt ja, wenn die den erwischen, wenn einer ihn anschwärzt geht Richard in den Knast – Wirtschaftsverbrechen und dann noch mit Westzigaretten!“
    „Drei Linden ist schließlich ein Konsum-Lokal, das kommt noch dazu. Du mußt mich also gar nicht aufklären wollen, ich weiß schon, warum Richard fünf Mark nimmt, hab’ mir dort selbst schon mal die eine oder andere genehmigt.“
    So saßen sie beide auf den Treppenstufen und hinter ihnen sah die frühe Winternacht durchs Ziergitter des Fensters in den Hausflur. Licht fiel aus einer runden Milchglasschüssel an der Decke. Das gelbliche Licht glänzte in beigen Wandfliesen auf. Im Treppenhaus waren sie ungestört, dort belauschte sie niemand. An der einen Wand direkt vor der Heizung lehnte Sebastians Fahrrad und das seines älteren Bruders. So sicher dieser abgeschlossene Hausflur auch erscheinen mochte war doch erst ein Jahr zuvor das Rad seines Vaters daraus gestohlen worden, ohne Spuren zu hinterlassen. Die schwere Haustür hatte sich nach wie vor als abgeschlossen erwiesen. Seitdem wurden die Fahrräder zusätzlich an die Zentralheizung gekettet. An den Besitz eines Fahrrades war noch immer so manche Existenz gebunden. Es hieß zwar, die DDR stelle inzwischen selbst in volkseigener Produktion Räder her, doch gesehen hatte zumindest in Großräschen, Senftenberg oder Altdöbern noch niemand eins.
    Auch Fahrradbereifung, Ketten, Beleuchtung... mußten wie eh und je aus Westberlin geschmuggelt werden, obwohl man auch von Reifen aus DDR-Produktion schon gehört

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