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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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unsereins steht hier an der Front.“
    „Mitten in feindlichem Gebiet“, erklärte Sebastian lachend und Hans-Peter nickte dazu.
    „Völlig richtig“, bestätigte Hoffmann, „viele Neunmalkluge“, sagte er und winkte ab. „Das ist so mit den Stabsfritzen. Die Linie hat immer alles zu tragen, auch Fehler ohne eigenes Verschulden. Sie haben ja recht, dennoch müssen wir der Bevölkerung im Osten immer wieder Präsenz zeigen und das eben auch mit Broschüren, Flug- und Faltblättern.“

    16.

    Während der Heimfahrt rätselten die Freunde noch des längeren an den aufgeworfenen Fragen herum. Es war ihnen selbst erst allmählich klar geworden, daß alle Befreiungshoffnungen, und sehr viele im Osten hofften noch, begraben werden mußten. Die beiden Herren aus Bonn hatten das ja klipp und klar gesagt: Die Westalliierten würden wohl für den Westen Deutschlands notfalls einen Krieg riskieren, nicht aber für den Osten. „Wir sind nun mal Osten“, sagte Sebastian, „und“, setzte er leiser, gegen die Abteilfensterscheibe gesprochen, hinzu, „müssen hier für den Westen arbeiten.“
    „Um den Osten zu befreien?“ fragte Hans-Peter skeptisch. „Langfristig vielleicht doch“, setzte er nach kurzer Überlegung hinzu, „vor allem aber, um die Freiheit des Westens zu erhalten“, und beide sahen, von verwirrenden Gedanken heimgesucht, zum Fenster hinaus.
    „Wir müssen unseren Lebensabend ja nicht im Osten verbringen“, unterbrach Sebastian vorsichtig das beidseitige Schweigen.
    „Na, na, nicht nur erst den Lebensabend“, ergänzte Hans-Peter den Gedankengang des Freundes und ein spöttisches Lächeln huschte ihm dabei übers Gesicht.
    „Natürlich nicht.“ Sebastian grinste ebenfalls etwas mühsam zurück. „Was heißt Lebensabend? Wir beide müssen im Westen erstmal mündig sein, oder würdest du dort in ein Heim wollen?“
    „Iiih – Gott bewahre! Nein!“
    „Schrei nicht so“, und Sebastian sah sich dabei kurz im Abteil um, „du tust ja bald so“, sagte er etwas gedämpfter, indem er sich seinem Freund entgegenneigte, „als ob das dort eine Erziehungsanstalt wäre.“
    „Heime“, erklärte der Freund, „sind doch immer wie Gefängnisse.“
    „Unke nicht so, vor allem nicht so laut“, und Sebastian stieß mit dem Fuß nach Hans-Peter. „Vielleicht kannst du Gefängnisse noch von innen kennenlernen“, murmelte er hinter vorgehaltener Hand.
    „Bist du verrückt! Wer will so was schon kennenlernen, schwedische Gardinen von innen“, ereiferte Hans-Peter sich gedämpft, indem er sich kurz umsah.
    „Die sollen ja“, sagte Sebastian grinsend, „wie du von Hoffmann hören konntest, nicht sehr komfortabel sein, also die Gefängnisse bei uns im Osten.“ Auch das wieder etwas zur Seite gesprochen, obwohl der leicht überheizte Eisenbahnwagen nur mäßig besetzt war, kein D-Zugabteil, sondern ein durch gelbe Holzbänke unterteilter Waggon, in dem wohl auch niemand am Gedankenaustausch der beiden jungen Fahrgäste interessiert schien. Genau konnte das niemand wissen und auch nicht, ob in diesem Zug aus Berlin jemand ganz bewußt die Ohren aufsperrte. Die meisten Fahrgäste saßen still in sich gekehrt, einige blickten zum Fenster hinaus, wenige lasen, manche unterhielten sich, indes der Zug durch das winterliche Land eilte.

    17.

    Einige charakteristische Pfiffe seines Freundes Hans-Peter, gewissermaßen als Erkennungszeichen, riefen Sebastian an einem Sonntagabend ins fernbeheizte Treppenhaus, das als Treffpunkt im Winter von beiden geschätzt wurde. Sie waren von ihrer Adressensammelfahrt am Vortag zurückgekommen, Hans-Peter aus Görlitz und Sebastian aus Halle, so hatten sie sich zuvor geeinigt. Jeder wollte schließlich wissen, ob beim anderen alles glatt verlaufen war, obwohl beide diese Aktion nicht sehr ernst genommen hatten. Adressen sammeln, was war das schon. Allerdings, Anschriften waren im Osten nicht leicht zu bekommen. Man konnte nicht einfach aus einem Telefonbuch abschreiben, denn kaum einer hatte ja Telefon und so gab es auch kaum Telefonbücher. Man mußte schon von Haus zu Haus, treppauf, treppab laufen und jeden Namen vom Klingelschild abschreiben. Zentrale Klingelanlagen in den Hausfluren gab es nur selten. Viele Häuser, viele Stockwerke, hunderte von Namen. Beide hatten sich das so mühsam zuvor gar nicht ausgemalt.
    „Mannometer, sind denn alle Stalinalleen so ewig lang“, beklagte Hans-Peter sich, kaum daß er den Hausflur betreten hatte. „Habe ich Muskelkater“,

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