Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
betrachten, über den wir Ihre Ansicht hören möchten.“
„Also Ihre kritische Meinung“, ergänzte der jüngere. „In Bonn“, dabei sah er kurz zu seinem älteren Kollegen über den Tisch, „ist man sich nicht einig, wie die Menschen bei Ihnen im Osten die politische Situation einschätzen, wie sie darüber denken. Einfacher gesagt, man weiß darüber zu wenig.“
„Ein Nachrichtendienst …?“ sagte Sebastian ein wenig ungläubig.
Der ältere der beiden Herren lächelte. „Na, ganz so schlimm ist es nicht“, ließ er sich vernehmen. Wir haben dort schon Leute.“
„Nur sind Sie gerade hier“, unterbrach der jüngere, rückte sich die sehr schmale randlose Brille zurecht und nahm die Broschüre vom Tisch. Es gibt gewisse Schwierigkeiten, so etwas hier zu entwerfen, um es den Betroffenen im Osten nahe zu bringen. Wie wir von Herrn Hoffmann hörten, haben Sie ja selbst schon mal Flugblätter angefertigt.“
Sebastian schüttelte den Kopf und winkte ab. „Das war wirkungslos“, sagte er. „Flugblätter von den eigenen Leuten machen nicht viel her.“
„Wie kommen Sie darauf?“
„Na, Hilfe kann doch nur von außen kommen.“
„Glaubt man das dort wirklich?“
„Ja, sicher. Stimmt doch auch.“
„Hm, ich weiß nicht“, und der jüngere der beiden sah kurz seinen älteren Kollegen an.
„Aber das ist doch was anderes“, fuhr Sebastian fort, „ob ein Flugblatt oder so eine Broschüre aus dem Westen oder dem Osten kommt – abgesehen davon, daß sowas Gedrucktes hier“, dabei wies er auf ein Heftchen vor sich auf dem Tisch, „gar nicht aus dem Osten stammen könnte. Was wir dort machen können, ist primitiv und per Hand zusammengeschnitten.“
Der ältere der beiden Herren wischte kurz mit der Hand durch die Luft. „Langer Rede kurzer Sinn“, sagte er. „Sie meinen unser Blättchen hier kommt an, weil es aus dem Westen ist?“ Dazu beugte er sich etwas vor, sah erst Sebastian und dann Hans-Peter an.
Letzterer lehnte sich im Sessel zurück und antwortete: „Die Menschen merken, daß man im Westen an sie denkt, daß sie nicht vergessen sind, wenn die so ein Blättchen hier in der Hand halten.“
„Ja, richtig“, ergänzte Sebastian, „aber das allein reicht nicht. Aus dem Westen erwarten die Leute mehr. Da drin“, und Sebastian wies auf eines der Heftchen, „steht bloß, was die Leute im Osten alles schon wissen...“
„Aber ermutigt das die Menschen denn nicht, wenn sie sehen, daß man im Westen ihre Situation erkennt?“
„Ja, ermutigen, das ist schon gut – aber wozu ermutigen?“ und Sebastian lehnte sich vor, verschränkte die Hände und blickte zum Fenster hinaus in den Garten, sah einzelne feine Flocken, die sachte aus dem Winterhimmel taumelten, sah das Vogelhäuschen und die Spatzenschwärme hinein- und gleich wieder herausfliegen. „Also Erfolg“, fuhr er schließlich fort, riß sich vom Anblick des eingeschneiten Gartens los und blickte den jüngeren der beiden Herren an, „Erfolg hätte man bestimmt, wenn man darin schreiben würde“, dazu tippte er wieder mit dem Zeigefinger auf eines der Blättchen: „Haltet durch, der Russe wird bald mit vereinten Kräften aus Deutschland gejagt...“
„Und wer will das einhalten, so ein Versprechen?“ fragte der ältere Herr. „Das hieße nämlich Krieg.“
„Selbst dafür“, antwortete Sebastian, „könnte man noch immer eine Mehrheit im Osten zusammenbringen, wenn man dadurch zum Westen käme.“
„Aber nicht im Westen, nicht die Spur einer Mehrheit für eine kriegerische Auseinandersetzung mit dem Russen“, erklärte der jüngere Herr mit der randlosen Brille kopfschüttelnd.
„Natürlich, Krieg wäre was ganz Schlimmes, das ist klar“, sagte Sebastian, „aber was heißt ‘der Westen’? Die Menschen im Osten, das ist ja auch Deutschland, die setzen noch immer Hoffnungen auf den Westen und davon steht eben nichts in diesem Heftchen hier.“
„Aber niemand sollte doch falsche Hoffnungen verbreiten“, erwiderte der ältere Herr leicht vorwurfsvoll. „Die Westalliierten haben absolut kein Interesse an so einem Krieg.“
„Aber wozu“, fragte Hans-Peter, der allen Ausführungen aufmerksam gefolgt war, „wozu dann so eine Broschüre?“
Die beiden Herren sahen etwas verblüfft drein. Schließlich bedankten sie sich für die Hinweise. Man würde das alles bedenken. Dann verabschiedeten sie sich und verließen das Lokal.
„Das sind die feineren Herren aus Bonn“, bemerkte Hoffmann, „und
Weitere Kostenlose Bücher