Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
Augen, aber auch in den Kratzwunden brannte.
Das Wetter blieb weiterhin sehr warm und ungewöhnlich trocken für diese frühe Jahreszeit. Die Waldbrandgefahr wuchs entsprechend und Sebastian sah dann auch eines Tages auf dem Heimweg, etwas abseits der Chaussee, auf der er sonst fuhr, feine Rauchfäden durch den Wald ziehen, fast unmerklich, aber ein leicht brandiger Geruch warnte ihn. Er fuhr das Rad ein Stück in den lichten Kiefernwald hinein, legte es auf den Boden und ging weiter dem Brandgeruch und den Rauchschleiern nach, die, kaum wahrnehmbar, ganz harmlos wirkten.
Der brandige Geruch nahm jedoch zu, je tiefer er in den Wald hineinging. Und schließlich wurden aus den Rauchschleiern dichtere Schwaden, die sich über den Waldboden zogen. Dazwischen züngelten Flammen, wenn Unterholz vom Feuer erfaßt wurde, kleine Kiefernbäumchen knisternd aufflammten und Glut sich ganz langsam ausbreitend am Boden glimmte.
Eine Schippe müßte er haben, eine Schippe, um dem glimmenden Bodenfeuer in Heidekraut und ausgetrockneten Kiefernnadeln die Nahrung abzugraben. Die glühende Fläche war noch nicht sehr groß und mußte sich erst vor wenigen Stunden entzündet haben. Mit einem großen Zweig versuchte Sebastian die noch vereinzelten offenen Flammen zu löschen, um zu verhindern, daß sie sich über immer höheres Unterholz, das es dort überall gab, in die hohen Baumkronen fraßen. Ein solcher Kronenbrand konnte zur lärmenden Feuerhölle werden.
Er hatte das als Kind einmal beobachten können und auch die hoffnungslosen Mühen der Feuerwehren, als der sich rasch entwickelnde Feuersturm immer stärker und lauter wurde. Da halfen dann nur noch breit ausgeschlagene Schneisen und Gegenfeuer.
So schlimm kann das hier nicht werden, sagte Sebastian sich. Er hatte den Brandherd ja entdeckt, rechtzeitig entdeckt. Das ist noch harmlos, und er klatschte weiter mit dem Zweig einzelne Flämmchen aus, wobei der Qualm ihm immer wieder Tränen in die Augen trieb und einen leichten Hustenreiz hervorrief. Ständig wischte er sich mit dem Handrücken die Augen.
Plötzlich ließ ihn ein schmetternder Knall, vielfach zurückgeworfen von den Baumstämmen umher, zusammenfahren und zu Boden ducken. Sekundenbruchteile danach hörte er näher und auch weiter im Umkreis etwas in die Bäume schlagen. Waldboden und auch ein paar trockene Zweige waren aufgewirbelt worden. Eine hohe, weißgraue Rauchsäule zog langsam durch den Wald davon, löste sich auf.
Sebastian suchte den Detonationsort und fand schließlich eine Stelle, an der der Waldboden etwas über zwei Handteller tief kreisförmig im Umfang von etwa zwei Metern abgetragen worden war. Eine Granate? Panzergranate, Handgranate...? Überall in den Wäldern lagen ja noch Überreste von Waffen und Munition. Das machte Waldbrände zusätzlich gefährlich. Eben hätte es auch ihn erwischen können. Und keine Hilfe hier mitten im Wald. So waren ja bereits Menschen umgekommen, davon hatte er gehört. So schnell konnte das gehen. Späte Opfer des Krieges für Führer, Volk und Vaterland, sinnierte Sebastian bereits wieder auf dem Fahrrad.
Also anrufen. In Chransdorf anrufen. Die Glut konnte ganz schnell wieder aufflammen. Über die Lenkstange gebeugt steigerte er das Tempo. Zum Glück ein windstiller Tag, kein Funkenflug … Anrufen, überlegte er, aber wo? Der Kurmärker am Markt fiel ihm ein, dieses Lokal hatte Telefon. Es gab nicht sehr viele Telefone im Ort. Zu Hause hatten sie keins. Und die Chransdorfer Nummer hatte er Gott sei Dank im Kopf. Im Kreisforstamt erreichte er schließlich noch einen Angestellten, der Sebastians Meldung ans zuständige Revier Reddern weitergab, denn den Positionsangaben nach lag der Brandherd in Aurings Revier, der nun unter seinen Waldarbeitern einen Löschtrupp zu organisieren hatte. Ein diskretes Lob für seine Aktivität erreichte Sebastian später noch.
Bei der großen Trockenheit so früh im Jahr drohten ständig Waldbrände. Es gab hölzerne Beobachtungstürme in den Wäldern, nur waren die nicht immer besetzt, wie es eigentlich Vorschrift war. Wer wollte sich schon den ganzen Tag auf so einem Turm langweilen? Und die, die es tun sollten, die dazu Verpflichteten, würden nachträglich immer Gründe finden, weshalb sie als quasi freiwillige Feuerwache ausgerechnet an dem Tag zu der Stunde verhindert waren, an dem ein Brand sich ungestört hatte entwickeln können, wie es ja immer wieder mal passierte. Keine spektakulären Großbrände, keine lärmenden
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